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Traumschlange

Titel: Traumschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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obwohl Jesses Lippen trocken waren. Schlange wußte, daß sie keinen zu starken Flüssigkeitsentzug erlauben durfte, aberandererseits wollte sie die Frau auch nicht durch Überredung zum Essen zwingen.
    »Es hat doch keinen Zweck«, sagte Jesse.
    »Jesse...«
    Jesse streckte eine Hand aus und legte sie auf Schlanges Finger. »Nein, es ist schon gut. Ich habe über das nachgedacht, was geschehen ist. Ich habe sogar davon geträumt.«
    Schlange bemerkte, daß in ihren dunkelbraunen Augen goldene Flecken glommen; die Pupillen waren sehr klein.
    »Ich kann so nicht leben. Und sie können das auch nicht mitmachen. Sie würden es versuchen.., und es käme dabei nichts als Unheil heraus. Heilerin...«
    »Bitte...«‚ flüsterte Schlange, wieder voller Furcht, stärkerer Furcht, als sie je zuvor im Leben welche empfunden hatte. »Bitte nicht.«
    »Kannst du mir nicht helfen?«
    »Nicht zu sterben«, sagte Schlange. »Bitte ersuche mich nicht, dir sterben zu helfen.«
    Sie sprang auf und stürzte hinaus. Die Hitze schlug ihr entgegen, aber vor ihr gab es kein Entrinnen. Ringsum ragten die Wände der Schlucht und herabgestürzte Haufen von Gestein empor. Schlange blieb stehen, den Kopf gesenkt, bebte, während Schweiß in ihren Augen brannte, und rang um Fassung. Sie hatte sich dumm aufgeführt, und sie schämte sich für ihre Panik. Sie mußte Jesse ebenfalls erschreckt haben, aber noch vermochte sie sich nicht dazu durchzuringen, umzukehren und sie zu beruhigen. Sie entfernte sich vom Zelt, nicht in Richtung der Wüste, wo Sonne und Sand wie Phantasiegebilde waberten, sondern zu einem Einschnitt in der Felswand, der abgezäunt war, um als Gehege zu dienen. Schlange sah schwerlich eine Notwendigkeit, die Pferde überhaupt einzuhegen, denn sie standen in reglosen Grüppchen beisammen, die Köpfe gesenkt, ihre Ohren hingen herab. Sie wedelten nicht einmal mit den Schwänzen; in der Schwarzen Wüste gab es keine Insekten. Schlange fragte sich, wo Merideths schöne braune Stute stecken mochte. Das ist ein trauriger Haufen Viecher, dachte sie. Ihre Zaumzeuge, an den Zaun gehängt oder achtlos auf den Grund geworfen, schimmerten von kostbaren Metallen und Edelsteinen. Schlange legte die Hände auf einen der mit Stricken umspannten Pfosten und stützte das Kinn auf die Fäuste.
    Als sie Wasser glucksen hörte, drehte sie sich überrascht um. Am anderen Ende des Geheges füllte Merideth eine lederne Tränke in hölzernem Rahmen. Die Pferde regten sich, hoben die Köpfe, richteten die Ohren auf. Sie kamen durch den Sand herüber, trotteten zuerst, trabten dann, allesamt aufgeregt, sie quietschten, schnappten nacheinander und traten aus. Sie waren wie verwandelt. Plötzlich waren sie schön. Merideth blieb in Schlanges Nähe stehen, in den Händen den leeren, erschlafften Wasserschlauch; seine Aufmerksamkeit galt mehr der kleinen Herde als Schlange.
    »Jesse ist begabt, was Pferde angeht. Sie versteht es, sie richtig auszusuchen, sie abzurichten... Was stimmt nicht?«
    »Es tut mir leid. Ich muß sie in Erregung versetzt haben. Ich hatte kein Recht...«
    »Ihr zu sagen, daß sie leben soll? Vielleicht nicht, aber ich bin froh, daß du es getan hast.«
    »Es ist gleichgültig, was ich ihr sage«, meinte Schlange. »Sie selbst muß leben wollen.«
    Merideth winkte und rief. Die Pferde an der Tränke scheuten zurück und gaben den anderen Gelegenheit zum Saufen. Sie drängten sich heran, leerten die Tränke bis zum letzten Tropfen, dann verharrten sie dabei und schauten erwartungsvoll, ob es mehr gebe.
    »Bedaure«, sagte Merideth. »Mehr gibt‘s vorerst nicht.«
    »Ihr müßt sicherlich eine große Menge Wasser für sie mittragen.«
    »Ja, aber wir brauchen sie alle. Wir ziehen mit Wasser aus, und zurück kommen wir mit den Erzen und Steinen, die Jesse findet.«
    Die braune Stute schob den Kopf über die Stricke der Einzäunung und schnupperte an Merideths Ärmel, reckte den Hals, bis er sie hinter den Ohren und am Kinn kraulte.
    »Seit wir mit Alex zusammen sind, reisen wir mit mehr... Zeug. Luxus. Alex meinte, damit könnten wir die Leute beeindrucken, so daß sie von uns kaufen möchten.«
    »Bewährt sich das?«
    »Anscheinend. Wir leben jetzt sehr gut. Ich kann das Angebot nach Belieben zusammenstellen.«
    Schlange betrachtete die Pferde, die sich, eines nach dem anderen, in die Schattenzone des Geheges entfernten. Der verwaschene Schein der Sonne war über die Kante des Felswalls gekrochen, und Schlange spürte die Hitze im

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