Traumzeit
versuchte auch, wieder an die Expedition zu denken. Sollte er einen Suchtrupp losschicken?
Aber sehr schnell kehrten seine Gedanken zu Ivy Dearborn zurück und zu der tieferen Bedeutung des schmeichelhaften Porträts, das sie von ihm gezeichnet hatte.
3
»Miss Downs?« Elsie kam ins Bad. »Entschuldigen Sie bitte, aber Mister Downs ist soeben eingetroffen.«
Pauline griff nach ihrem Morgenmantel. »Danke, Elsie. Sag ihm, ich werde sofort kommen.«
Frank sah sich im Zimmer seiner Schwester um und gönnte sich noch ein Glas Whisky. Es sah aus, als sei der Koffer einer Dame explodiert.
Auf Sesseln und Sofas lagen ausgebreitet elegante Roben und kostbare Kleider. Den Perserteppich schmückten Rüschen und Spitzen, und überall hingen Bänder und Schleifen. Er wußte, das war ihre Garderobe für die Flitterwochen mit Westbrook. Die Schneiderrechnungen würden astronomische Höhen erreichen, aber, so dachte Frank, wenn Pauline damit glücklich ist, werde ich kein Wort darüber verlieren.
Als Pauline aus dem Bad kam, konnte Frank sie bereits riechen, bevor er sie sah. Dampf und der Duft von Badesalz kündigten seine Schwester an. Und bei ihrem Anblick dachte er wie immer: Mein Gott, sie ist wirklich schön. Aber das lag nur daran, daß Frank für große Frauen schwärmte, Frauen von der Größe dieser Bardame, die ihm immer noch nicht aus dem Kopf ging.
»Frank!« rief Pauline, eilte auf ihn zu und drückte ihm einen Kuß auf die Wange. »Ich hoffe, du hast gute Nachrichten für mich.«
Er freute sich darüber, daß seine Schwester Hugh Westbrook heiraten würde – unter anderem deshalb, weil sie in ganz Victoria die einzige Frau sein würde, die sich auf die Treue ihres Mannes verlassen konnte. Hugh Westbrook war kein Frauenheld. Wie man allgemein wußte, gab es für Hugh nur eine große Leidenschaft in seinem Leben: Merinda, seine Schaffarm.
»Mit etwas Diplomatie und dem Versprechen des besten Orchesters, das Melbourne zu bieten hat«, erwiderte Frank, »und einer astronomischen Gage läßt sich dein Wunsch erfüllen. Aus London ist endlich der Brief eingetroffen, in dem steht, daß Dame Lydia sich bereit erklärt hat, auf deiner Hochzeit zu singen.«
»O Frank! Ich danke dir!« rief Pauline und umarmte ihn stürmisch. »Jetzt ist alles perfekt. Wie um alles in der Welt soll ich es ertragen, noch ein halbes Jahr zu warten?«
Frank lachte. Pauline würde es nicht schwerfallen, sich die Zeit bis zur Hochzeit zu vertreiben. Das Pferderennen um den Melbourne-Pokal stand bevor, und das bedeutete den Ball des Gouverneurs, viele Empfänge und mehrere Jagden. Danach kamen Weihnachten und der jährliche Ball, den die Ormsbys auf Strathfield gaben. Dieses gesellschaftliche Ereignis nahm Pauline immer völlig in Anspruch. Darauf folgte die traditionelle Mitternachtsmaskerade bei Colin und Christine MacGregor auf Kilmarnock. Später gab es die üblichen Sommerpicknicks und Ausflüge ans Meer, und in diesem Stil ging es weiter.
Pauline stand am Frisiertisch und kämmte sich die Haare. »Ich habe die MacGregors für heute abend zum Essen eingeladen, Frank. Ich hoffe, du wirst dich nicht wieder in deinen Männerclub verziehen, sondern hierbleiben.«
»Ich dachte, du magst die MacGregors nicht.«
»Stimmt. Aber ihre Farm grenzt an Merinda. Sie werden bald meine Nachbarn sein. Also dachte ich, am besten bemühe ich mich schon jetzt um ihre Freundschaft.«
»Da wir von Merinda reden, Pauline«, sagte Frank, »ich bin heute in Melbourne zufällig Hugh begegnet.«
Pauline drehte sich um und sah ihn an. Ihm entging nicht die Röte, die ihr bereits bei der Erwähnung von Hugh in die Wangen stieg. Und er sah, wie ihre Augen strahlten. »Ist er auf dem Heimweg?«
Frank beneidete Westbrook. Er bezweifelte, daß die Erwähnung seines Namens jemals diese Wirkung auf eine Frau gehabt hatte. Er dachte plötzlich wieder an das schmeichelhafte Porträt. Warum hatte Ivy Dearborn ihn so gezeichnet und alle anderen als Karikaturen? Frank hatte versucht, mit ihr zu sprechen, ehe er das Pub verließ. Aber sie war zu beschäftigt mit den vielen Gästen gewesen, und Frank wußte, daß Pauline ihn erwartete. »Ja, Pauline«, erwiderte er, »Hugh ist auf dem Rückweg.«
»Dann müßte er morgen da sein. Ich werde ein Picknick vorbereiten …«
»Er wird vermutlich noch zwei oder drei Tage brauchen. Ich bin geritten, aber Hugh kommt mit dem Pferdewagen – und mit dem Kind.«
»Ach«, sagte sie, »der Junge ist also
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