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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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kampieren die meisten Leute einfach unterwegs.«
    Der Nachmittag neigte sich dem Ende entgegen, und Melbourne schien bereits weit hinter ihnen zu liegen, während sie vorbei an grünen Feldern, Farmhäusern und großen Schafherden mit neugeborenen Lämmern durch die ländliche Stille fuhren. Es war Oktober, und in der fruchtbaren Ebene von Victoria herrschte Frühling. Hugh hatte Adam in den vergangenen Stunden von Merinda erzählt. Sein neues Zuhause würde eine Schaffarm im westlichen Distrikt der Kolonie sein.
    »Schafe werden diese Kolonien groß machen, Miss Drury«, sagte er. »Die Welt braucht Wolle und Schaffleisch, und
wir
können den ganzen Bedarf liefern. Wenn wir zusammenarbeiten – ich meine die Kolonien. Wir müssen Wege finden, um die australischen Kolonien in der Wollproduktion an die erste Stelle zu bringen. Und ich habe eine Vorstellung davon, wie das geschehen kann.«
    Joanna sah, daß Adam müde wurde und war froh, daß sie bald anhalten würden.
    »Nur ein kleiner Teil dieses Kontinents ist besiedelt, Miss Drury«, fuhr Hugh fort, »nur die Gebiete an den Küsten. Alles andere, das Landesinnere, ist zu rauh, zu mörderisch, und deshalb bleibt es ungenutzt. Ich arbeite daran, eine neue Schafrasse zu züchten, eine Rasse, die in einer solchen Umgebung überleben kann. Wenn ich Erfolg habe, können wir den Busch nutzbar machen und Millionen Schafe halten.«
    Joanna fiel auf, daß Hugh langsam sprach. Er machte Pausen zwischen den Sätzen und überlegte sich jedes Wort. Er sprach nicht so schnell, wie Joanna es in den Clubs der Garnisonen in Indien erlebt hatte. Sie vermutete, Hugh Westbrook habe sich nie bemühen müssen, auch einmal zu Wort zu kommen. Er kannte das Leben unter vielen Menschen nicht. Die Pausen zwischen den Sätzen deuteten auf ein einsames Leben hin. »Sie scheinen fest dazu entschlossen zu sein, Mr. Westbrook«, sagte sie.
    »Ja, das bin ich.«
    Adam richtete sich plötzlich auf und deutete nach vorne. In einiger Entfernung entdeckten sie Menschen. Ein Teil der Leute saß auf Pferden, andere standen auf der Straße. Man hörte Geschrei und sah drohend erhobene Fäuste.
    »Was ist dort los, Mr. Westbrook?« fragte Joanna. »Was hat das zu bedeuten?«
    Hugh trieb das Pferd mit den Zügeln an, und als sie die Leute erreichten, wurden sie Zeuge, wie ein Mann auf einem Pferd zornig die Peitsche hob und mit hochrotem Kopf schrie: »Ich schlage euch alle tot!«
    Hugh sprang vom Wagen: »He, was ist denn los?«
    Joanna sah, daß die Reiter Weiße waren und die anderen Schwarze, Aborigines. Es schienen arme Leute zu sein. Joanna hielt sie für eine Familie, denn sie bemerkte ein älteres Paar, einige Männer und Frauen und Kinder. Die Frauen trugen Decken und Bündel auf dem Rücken.
    Der Mann mit der Peitsche antwortete Hugh: »Sie wollten uns bestehlen! Sie haben uns angehalten und gebettelt. Und als wir abgelenkt waren, haben die Kinder versucht, Sachen von den Packpferden zu stehlen!«
    »Nein, Boss«, sagte der Älteste der Gruppe. Es war ein alter Mann mit einem weißen Bart. Seine Augen lagen so tief unter den buschigen Brauen, daß man sie nicht sehen konnte. »Das ist nicht wahr«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Wir stehlen nicht, wir klauen nicht.«
    »Ich habe es mit eigenen Augen
gesehen,
Alter«, rief der Mann auf dem Pferd. Dann sagte er zu Hugh: »Man darf sie nicht aus den Augen lassen. Sie stehlen einem das Hemd vom Leib.«
    Während die Männer sich stritten, spürte Joanna, wie die schwarzen Frauen sie musterten. Sie schienen sie so durchdringend anzustarren, daß Joanna sich plötzlich unwohl fühlte.
    Die Reiter gaben ihren Pferden schließlich die Sporen und ritten davon. Der alte Mann sagte noch einmal zu Hugh: »Der Mann ist ein Lügner, Boss.«
    »Vielleicht«, erwiderte Hugh. Er warf einen prüfenden Blick auf die kleine Gruppe, auf ihre schäbige Kleidung und auf die Kinder, die an den Röcken der Frauen hingen. »Wollt ihr etwas verkaufen?« fragte Hugh. »Ich könnte ein paar gute Körbe gebrauchen oder vielleicht ein paar Opossumdecken.«
    »Wir haben keine Decken, Boss«, sagte der alte Mann, »auch keine Körbe.« Die Frauen flüsterten miteinander, und der Alte hörte ihnen zu. Dann drehte er sich wieder zu Hugh um: »Meine Frau sagt, sie kann Ihnen die Zukunft voraussagen.«
    »Gut«, erwiderte Hugh und lächelte, »bitte.« Er griff in die Tasche und holte ein paar Münzen heraus.
    Die älteste der Frauen kam zum Wagen. Sie sah Joanna aufmerksam

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