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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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bei der ersten Begegnung am Kai im Hafen von Melbourne sehr attraktiv gefunden hatte. Aber nun stellte sie fest, daß ihre Gefühle für ihn inzwischen noch sehr viel stärker geworden waren. Sie entdeckte sich immer wieder dabei, wie sie sich sein Gesicht genau betrachtete – das Kinn, die gerade Nase, die Falte zwischen den Augen – und dabei spürte, daß ihre Leidenschaft wuchs.
    Brachte sie ihn durch ihre Anwesenheit auf Merinda wirklich irgendwie in Gefahr? War der Traum in der Nacht eine Warnung vor einem drohenden Unheil gewesen? Sollte sie vielleicht gehen? Joanna hatte gehört, daß Ezekial überall verbreitete, sie werde Merinda Unglück bringen. Sie wußte, daß einige der Aborigines, die für Hugh arbeiteten, bereits verschwunden waren. Joanna war nur gekommen, um Adam zu helfen. Sie wollte nicht die Ursache von Problemen sein. Sie erinnerte sich an Hughs finstere Miene, als Bill Lovell ihm berichtet hatte, daß wieder zwei der Aborigines davongelaufen waren. Hugh hatte mit ihr nicht darüber gesprochen. Aber wenn sie an das Kinderfest für Adam auf Lismore dachte, wo Hugh offenbar eine Auseinandersetzung mit Ezekial gehabt hatte, überlegte sie, ob sie nicht doch abreisen sollte.
    Aber wohin sollte sie gehen?
    Joanna dachte an Dr. David Ramsey. Er hatte ihr gesagt: »Ich habe mit diesen Florence-Nightingale-Schwestern zusammengearbeitet, Miss Drury. Sie machen Krankenpflege wirklich zu einem sehr geachteten Beruf. Für einen Arzt wie mich gehört es sich eigentlich, eine solche Frau als Partnerin zu haben. Und ich habe mir gedacht, Miss Drury, daß Sie mit Ihrem Wissen über Naturheilmittel und ich mit meinem über Medizin …, also, daß Sie und ich ein beachtliches Gespann wären …«
    Über ihr lachte plötzlich ein Rieseneisvogel, und sie erschrak. Sie hob den Kopf und sah, wie ein scharfes Auge sie von oben musterte.
    Joanna dachte wieder an Hugh und wie er am Tag zuvor in den Hof geritten war. Wie mochte es wohl sein, mit einem solchen Mann verheiratet zu sein? Wie mochte das Leben sein, wenn man wußte, daß er abends nach Hause kam, zu ihr?
    Joanna hörte ein Geräusch und drehte sich um. Sie lauschte mit angehaltenem Atem und blickte angestrengt auf die Lichtung. Sie sah aber nur die dicken Stämme der alten Eukalyptusbäume mit der weißgrauen Rinde und die mit Flechten überzogenen Felsen, die den Ureinwohnern heilig waren. Sie glaubte sich beobachtet.
    Eine Art geisterhafte Stille breitete sich auf der Lichtung aus. Selbst das Plätschern des Wassers schien gedämpft. Eine Gruppe lachsrosa Kakadus flatterte krächzend in den Ästen über ihr, aber Joanna hörte sie nicht. Sie sah nur die goldenen Sonnenflecken auf dem mit Blättern übersäten Boden und hörte ihr Herz schlagen.
    »Wer ist da?« rief sie.
    Keine Antwort.
    »Sarah?« rief sie noch lauter. »Adam?«
    Wieder keine Antwort.
    Joanna ging ein paar Schritte weiter. Sie sah niemanden, und doch hatte sie das deutliche Gefühl, nicht allein zu sein.
    »Wer ist da?« rief sie.
    Sie hörte ein Rascheln und dann merkwürdig klingende Tritte.
    Joanna runzelte die Stirn. Das klang nicht nach einem Menschen.
    Vorsichtig ging sie weiter durch die Bäume und lauschte mit angehaltenem Atem. Sie blieb stehen und blickte durch die Stämme. Aber sie sah nur die sanften Hügel der Weiden von Merinda, ein Meer aus gelbem Sommergras, das sich bis zum Fuß der Berge erstreckte. Sie blickte nach rechts, wo der Hof mit den Gebäuden lag, dann nach links und sah …
    Sie hielt den Atem an. »Hallo«, flüsterte sie.
    Zwei große braune Augen mit dichten langen Wimpern sahen sie an.
    »Hallo«, wiederholte Joanna noch einmal und blieb wie gebannt stehen. Sie war noch nie zuvor einem Känguruh so nahe gewesen.
    Es war ein großes blaugraues Muttertier und beinahe so groß wie Joanna. Das Känguruh befand sich nur ein paar Schritte von ihr entfernt. Es saß auf dem Schwanz und den Hinterbeinen und hatte die Arme über der Brust gekreuzt. Aus dem Beutel beäugte sie ein junges Känguruh mit riesigen Augen – Joanna hatte gehört, daß man solche kleinen Känguruhs ›Joey‹ nannte.
    Sie standen wie versteinert gegenüber und starrten sich an. Joanna wollte sich nicht bewegen, um das Känguruh nicht zu vertreiben. Es faszinierte sie, dem Tier so nahe zu sein und die zarte Färbung des Fells aus so großer Nähe zu sehen. Die Schnurrbarthaare an der Schnauze bewegten sich. Joanna betrachtete das
Joey.
Es war sehr groß und schien kaum noch im

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