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Traveblut

Traveblut

Titel: Traveblut
Autoren: Jobst Schlennstedt
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»Perle«. Die Feuerwehr war bereits eingetroffen und versuchte das, was von dem Schiff übrig geblieben war, zu retten. Endlich kamen auch die Kollegen von der Streife. Andresen übergab ihnen Piet. Auch Dieter Lohberg war mittlerweile aufgetaucht und kniete niedergeschlagen vor den Trümmern seines Bootes. Im Fischereihafen herrschte Chaos. Scheinwerfer leuchteten, Menschen rannten hin und her, Polizisten riefen Anweisungen, sogar einige Presseleute hatten bereits Wind von der Sache bekommen.
    Andresen nutzte das Getümmel, um sich vom Geschehen zu entfernen. Hastig lief er in Richtung Ortskern. Es war kurz vor Mitternacht. Obwohl er sich wie gerädert fühlte, war die Müdigkeit gewichen. Das Adrenalin pumpte noch immer durch seinen Körper. Es würde wohl noch eine Weile dauern, ehe er sich beruhigte und schlafen konnte. Trotzdem würde er Lohberg und Piet gleich morgen früh befragen. Vielleicht würde es den Kollegen der Streife ja sogar gelingen, den Unbekannten in den dunklen Straßen Travemündes zu finden.
    Am Straßenrand sah er ein Taxi stehen. Der Fahrer saß mit geschlossenen Augen und offenem Mund hinter dem Lenkrad. Andresen klopfte an die Fensterscheibe der Fahrertür. Der Mann schreckte auf und kurbelte die Scheibe herunter.
    »Können Sie mich nach Lübeck fahren?«
    Der Taxifahrer musterte Andresen eindringlich. »Sie sind nicht der, auf den ich warten soll. Tut mir leid.«
    Andresen dachte einen Moment lang darüber nach. Dann glaubte er zu verstehen, was der Mann gemeint hatte.
    »Derjenige wird auch nicht mehr kommen«, sagte er schließlich und stieg in den Wagen ein.

23

    Er atmete tief durch, als er die Tür hinter sich schloss. Das Boot war in einem schönen Feuerball in die Luft geflogen. Ob dabei jemand ums Leben gekommen war, würde er morgen aus der Zeitung erfahren. Eine bessere Vorbereitung war aufgrund der Zeitnot nicht möglich gewesen, andernfalls hätte er gewartet, bis Hanka Weichert und dieser Lohberg auf jeden Fall an Bord gewesen wären.
    Noch immer waren seine Adern voller Adrenalin. Es war verdammt knapp gewesen. Noch knapper als bei dem Versuch, Hanka Weichert umzubringen. Diesmal hatte er den Atem der Bullen bereits gespürt. Und dann war da noch dieser nichtsnutzige Sohn von Lohberg gewesen, der sich ihm in den Weg gestellt hatte. Aber so leicht war er nicht zu kriegen. Nicht bevor er seine Sache durchgezogen hatte.
    Seinen ursprünglichen Plan hatte er endgültig verworfen. Stattdessen musste er wieder einmal die Reset-Taste drücken und von Neuem beginnen. Wie er es schon so oft getan hatte. Aber auch für diesen Fall hatte er vorgesorgt. Die Flasche Absinth hatte er schon letzte Woche gekauft.
    Jahrelang war er benebelt von diesem Zeug durchs Leben getorkelt. Bis er sich eines Tages fast zu Tode gesoffen hätte. Er hatte im tiefen Winter im Drägerpark getrunken, bis er die Besinnung verloren hatte. Er war erst im Krankenhaus wieder aufgewacht, als die Ärzte ihm um ein Haar zwei Zehen seines linken Fußes hatten amputieren müssen. Die Erfrierungen waren so gravierend gewesen, dass er noch heute Probleme hatte, den Fuß zu belasten.
    Damals hatte er sich geschworen, nicht länger leiden zu wollen. Er wollte endlich Rache nehmen. Rache an allen, die Schuld an seinem missratenen Leben trugen. Und allen voran an ihr. Der Frau, die ihn kaputtgemacht hatte.
    Kein Getränk war härter als Absinth, nichts machte seine Gedanken klarer als dieses Teufelszeug. Wenn er nicht zu viel davon trank. Morgen war der wichtigste Tag seines Lebens, nichts durfte ihn von seinem Plan ablenken. Schon gar nicht ein Durcheinander in seinem Kopf.
    Es ärgerte ihn, dass sie ihn gezwungen hatten, alles neu zu überdenken. Plötzlich waren sie an der Schule aufgekreuzt und hatten mit ihren Gesprächen für Unruhe gesorgt. Was wussten sie? Offenbar hatten sie ihre Schlüsse schneller gezogen, als ihm lieb sein konnte.
    Der erste Schluck schmeckte fürchterlich. Wie eine Mischung aus Benzin und Lakritz, die sich den Weg hinunter in seinen Magen brannte und alles, was ihr in den Weg kam, zu verätzen schien.
    Er musste an das Paket denken, das sie ihm geschickt hatte. Seine Wut war ins Unermessliche gestiegen, und er hatte nicht länger an sich halten können. Dass die Katze der Nachbarin dran glauben musste, war Zufall gewesen. Er hatte sie durch sein Fenster beobachtet, als sie die Straße kreuzte. In der hereinbrechenden Dämmerung hatte er sie mit etwas Schinken angelockt. Das Chloroform hatte
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