Traveler - das Finale
aus Scharfsinn und Hass, die Boone schon in Thailand gesehen hatte.
»Machen wir alles richtig?«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich führe Befehle aus, ich bin ein guter Soldat. Ich will mich einfach nur vergewissern, dass wir alle am selben Strang ziehen.«
Anstatt sich seinen Ärger anmerken zu lassen, nahm Boone seine Nickelbrille ab und säuberte sie mit einem Papiertuch. »Wissen Sie noch, dass wir sie eingefangen haben wie ein ausgebüxtes Schwein? Wissen Sie noch, wie Sie schreiend im Dreck gelegen haben?«
Doyles Hände verkrampften sich, während der Dämon in seinem Kopf tobte und um sich schlug. »Klar. Das weiß ich noch.«
»Gut. Das ist sehr gut, Mr. Doyle. Ich wollte nur einmal nachfragen.«
Boone entspannte sich erst, nachdem Ramirez und Doyle die Suite verlassen hatten. Dann ging er ins Wohnzimmer, holte eine Flasche Wodka aus der Minibar und kippte einen Schluck davon in seinen Eistee. Im Moment war er angreifbar, und Doyle spürte seine Schwäche. Fürchten müssen wir nur, was uns draußen in der Wüste erwartet. Nein, nicht ganz, dachte Boone. Ich bin hier der Einzige, der sich fürchten sollte. Selbst diese Suite war nicht sicher. Kämen Polizisten herein, würden sie einen Umschlag mit Schwarz-Weiß-Fotos der vermissten Kinder entdecken. Es war selbstquälerisch, in ihre verschreckten Gesichter zu blicken, aber Boone brachte es nicht über sich, die Fotos zu vernichten.
Seine Finger fuhren abermals über die Reihe aus Spirituosenfläschchen, aber er widerstand der Versuchung und wandte sich ab. Zum ersten Mal seit vielen Jahren verspürte er das Bedürfnis, sich einem anderen Menschen mitzuteilen und über seine Sorgen zu sprechen, aber das war unmöglich. Er hatte keine Freunde; es war ein grundsätzlicher Fehler, sich anderen zu öffnen. Natürlich gab es immer ein paar Leute, die einen dennoch kannten.
Boone ging zurück ins Schlafzimmer, fuhr seinen Computer hoch und machte sich daran, E-Mails zu beantworten. Aber eine gewisse Erinnerung brach mit solcher Wucht in
seine Gedanken ein, dass seine Finger wie erstarrt über der Tastatur innehielten. Vielleicht sollte er sie aufsuchen und sich der Schwäche stellen, die sie verkörperte. Man sollte jeden Feind auslöschen – selbst, wenn es sich um einen Teil des eigenen Ichs handelt.
Anthony Cannero und Myron Riles waren die anderen beiden Söldner im Los-Angeles-Team. Boone rief beide an, um ihnen zu sagen, er gehe auf Erkundungstour, um einen geeigneten Ort für das nächste Treffen zu finden. Dann verließ er das Hotel, stieg in seinen Mietwagen und fuhr auf die Küstenstraße auf. Der Highway 1 markierte die Trennlinie zwischen dem amerikanischen Festland und den unendlichen Weiten des Pazifiks. Boone fühlte sich wie in einer Grenzregion voller Surfshops und Strandvillen. Als der Morgennebel sich verzogen hatte und die Sonne sich auf den Wellen spiegelte, trat Boone das Gaspedal durch.
Santa Barbara lag zwei Stunden nördlich von Los Angeles. Früher einmal hatte es sich um ein verschlafenes Rentnerdorf mit einer strengen Bauordnung gehandelt, die für alle im Zentrum gelegenen Häuser rote Terracottadächer vorschrieb. Heutzutage bot die Ortschaft eine seltsame Mischung aus Reichtum und Strandleben – die Sorte Städtchen, wo Frauen zum Shoppen in den teuren Boutiquen T-Shirts und zerrissene Jeans tragen.
Nördlich des Zentrums hatten die Stadtplaner den Bau von Ladenzeilen und Wohnanlagen mit wenig solide wirkenden, flachen Einfamilienhäuschen mit Putzfassade erlaubt. Boone hatte in einem dieser Häuser gewohnt, aber das schien in einem anderen Leben, einer anderen Welt gewesen zu sein. Er hatte das Gefühl, an seiner eigenen Vergangenheit vorbeizurollen.
Ruths Büro war in einem zweistöckigen Gebäude am Highway untergebracht. Nach der Trennung hatte sie bei einer
Versicherung angefangen und leitete inzwischen eine eigene Niederlassung. Boone betrat das Empfangszimmer, wo eine junge Frau das Telefon bewachte und dabei Aliens auf ihrem Computerbildschirm zerschoss.
»Kann ich Ihnen helfen?«
»Sagen Sie Ruth, ihr Mann ist hier.«
»Oh.« Die Rezeptionistin riss die Augen auf und griff zum Telefonhörer.
Schritte auf der Treppe, und dann erschien Ruth – eine patent wirkende Frau mit blauer Anzughose und schwarz geränderter Brille. »Was für eine Überraschung«, sagte sie vorsichtig.
»Tut mir leid, dass ich nicht vorher angerufen habe«, erklärte Boone. »Können wir reden?«
Ruth zögerte, dann nickte
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