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Traveler - das Finale

Traveler - das Finale

Titel: Traveler - das Finale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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indischen Vertreter Mr. Iyer bekannt machen wollte.
    Michael konnte keinen dieser Menschen als Verbündeten betrachten, geschweige denn als Freund. Er wusste, dass er sich auf dünnem Eis bewegte. Vor einem Jahr noch war er ein Gefangener der Bruderschaft gewesen und hatte mit verkabeltem Hirn auf einem OP-Tisch gelegen. Nun leitete er die Evergreen Foundation, und nicht wenige der Delegierten mussten über diese plötzliche Verwandlung verwundert sein.
    Mr. Westley und die anderen Halbgötter hatten ihn gründlich auf die Rückkehr in die Vierte Sphäre vorbereitet, aber Michael hatte nicht vor, irgendwen in seine Pläne einzuweihen. Anstatt die Wasserkriecher und die Hinrichtungen im Visionär zu beschreiben, hatte Michael der Bruderschaft erzählt, er sei durch eine unbewohnte, steinige Landschaft gewandert und habe sanfte, engelsgleiche Stimmen vernommen. Er hatte die Engel um technologisches Wissen gebeten, und
sie hatten den Bauplan eines Speicherchips übermittelt, der enorme Datenmengen fassen konnte.
    Michael stellte sicher, dass Dr. Dawson dem Vorstand der Bruderschaft einen enthusiastischen Bericht über die neu entdeckte Technik schickte. Viele Staaten und Konzerne waren mit der Menge personenbezogener Daten, die das System für sie erhob, einfach überfordert. Nun wären sie endlich in der Lage, persönliche Angaben über Milliarden von Menschen zu erfassen und abzuspeichern. Jede feststellbare Aktivität des Einzelnen würde sich von jetzt an aufzeichnen, bewerten und fast im selben Moment verlinken lassen.
    Während Michael in seinen Beschreibungen der Fünften Sphäre vage blieb, formulierte er seinen neuen Machtanspruch klar und deutlich. Wollte die Bruderschaft weitere Informationen von ihm, müsste Mrs. Brewster ihren Posten räumen und Michael die Leitung der Forschungsprojekte überlassen. Selbstverständlich würde er sich auch in Zukunft von der kollektiven Weisheit der Bruderschaft leiten lassen, aber der Wechsel an der Führungsspitze würde die Stiftung zu einer reaktionsfähigeren und effektiveren Organisation machen.
    Mrs. Brewster versuchte eine Woche lang, eine Opposition gegen Michaels Pläne auf die Beine zu stellen, aber die Konzernchefs im Vorstand der Stiftung ließen sich von der Macht, die die neue Technologie mit sich brachte, verführen. Weniger als zwölf Stunden nach seinem Sieg gab die Evergreen Foundation eine Pressemitteilung heraus, in der Michael zu einem erfolgreichen Immobilieninvestor und weltbekannten Philanthropen erklärt wurde.
    Die Konferenz in London stellte den zweiten Schritt seines Plans dar. Normalerweise fand das Jahrestreffen der Bruderschaft auf Dark Island oder im südenglischen Wellspring Manor statt, aber Michael wollte alle Tagungsorte meiden, deren Wachpersonal möglicherweise immer noch unter Mrs.
Brewsters Einfluss stand. Michael erinnerte an den zweihundertsten Jahrestag von Jeremy Benthams Panopticon und schlug einen dem Anlass angemessenen Tagungsort vor. Verlegte man die Konferenz nach London, wäre es möglich, den Empfang im Kreuzgang des University College abzuhalten, wo der Leichnam des Philosophen in einem gläsernen Schaukasten aufbewahrt wurde. Der Vorstand der Bruderschaft war von diesem Vorschlag so beeindruckt, dass selbst Mrs. Brewster nichts anderes zu tun blieb, als milde zu lächeln und das Ihre zur Einstimmigkeit des Beschlusses beizutragen.
    Nachdem die Stiftung dem Förderverein des Colleges eine großzügige Spende hatte zukommen lassen, gestattete der Universitätsvorstand der Bruderschaft, den Kreuzgang für den abendlichen Empfang zu nutzen. Michael bot sich an, die Eröffnungsrede zu halten, und er nahm Kontakt zu den mächtigsten Vorstandsmitgliedern auf, um ihre Anregungen zu berücksichtigen. »Ich denke, wir sollten eindeutig Position beziehen«, sagte er, und ein jeder pflichtete ihm bei.
     
    Michael leerte sein Champagnerglas, während eine weitere Delegiertengruppe von ihren Ängsten und Wünschen plapperte. Schließlich schüttelte er jedem die Hand und wandte sich ab. In wenigen Augenblicken würde er seine Rede halten, und vorher wollte er sich von dem Toten am Ende des Gangs inspirieren lassen. Er nickte den Vorstandsmitgliedern zu und bahnte sich einen Weg durch die Menge, als plötzlich Mrs. Brewster vor ihm stand. Obwohl er ihr Amt offiziell übernommen hatte, führte sie immer noch die Geschäfte der Organisation. An diesem Abend trug sie ein königsblaues Kleid und eine Perlenkette, aber ihr Gesicht war

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