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Traveler - das Finale

Traveler - das Finale

Titel: Traveler - das Finale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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aufzunehmen. Gabriel stellte sich auf den Felsen und starrte zum Gebirge hinüber. Zwischen den beiden höchsten Gipfeln lag eine V-förmige Senke, an deren tiefstem Punkt ein helles Licht strahlte.
    Bevor Gabriel seinen Standort verließ, würde er ihn auf irgendeine Weise markieren müssen, um den Rückweg zu finden. Überall lagen Felsbrocken herum. Gabriel wählte ein paar kleinere aus und schichtete sie zu einem Hügel auf. Als der Haufen fast zwei Meter hoch war, ließ Gabriel seinen Blick über das Hochland schweifen und versuchte, sich jedes Detail einzuprägen.
    Sein klopfendes Herz bildete das Zentrum dieser Welt – eine leise tickende Uhr in einem leeren Saal. Gabriel kehrte der Ebene den Rücken zu und marschierte direkt aufs Licht zu. Nachdem er den ersten Kilometer hinter sich gebracht hatte, bemerkte er, dass Springfluten den steinigen Boden ausgewaschen und tiefe Furchen und ganze Schluchten hinterlassen hatten. Wollte er auf Kurs bleiben, würde er gerade
in die Schluchten hinein- und auf der gegenüberliegenden Seite wieder hinaufklettern müssen.
    Es kostete ihn große Mühe, die ersten beiden Schluchten zu überwinden, und Gabriel legte eine Pause ein. In diesem Tempo hätte er bei Sonnenuntergang nicht einmal den Fuß der Bergkette erreicht. Als er sich wieder auf den Weg machte, versuchte er es mit einer neuen Strategie und lief an der Kante einer jeden Furche entlang, bis sie sich schloss oder er die Möglichkeit bekam, sie über eine Steinbrücke zu überqueren.
    Die Zeit verstrich, und die Sonne sank dem Horizont entgegen. Das helle Funkeln war verschwunden, aber Gabriel behielt die V-förmige Senke im Blick. Als sein Mund so trocken war, dass er kaum noch schlucken konnte, fand er sich am Rand einer schmalen, lang gezogenen Schlucht wieder, an deren Grund ein kleines Rinnsal zu sehen war. Gabriel errichtete einen zweiten Steinhügel, bevor er die felsige Steilwand hinunterkletterte, indem er mit Händen und Füßen nach Rissen und Absätzen im Stein suchte, die sein Gewicht tragen konnten. Je näher er dem Grund der Schlucht kam, desto zahlreicher wurden die kleinen, zähen Pflanzen, die Gabriel an immergrüne Büsche erinnerten. Er hielt sich an ihren Zweigen fest und ließ sich auf den Grund hinuntergleiten.
    Das Wasser war eiskalt und schmeckte nach Eisen. Gabriel kniete im Kiesbett und trank und trank, dann spritzte er sich Wasser ins Gesicht. Er befand sich jetzt im Schatten und hob den Blick zum türkisblauen Himmel. Weil ihm der Aufstieg zu schwierig erschien, beschloss er, dem Verlauf der Schlucht zu folgen und immer am plätschernden Bach entlangzulaufen. Hinter jeder Biegung hoffte er auf einen Nebenfluss oder eine Reihe von Felsvorsprüngen, die einen Aufstieg erlauben würden. Stattdessen wurde die Schlucht immer tiefer, und der Himmel über ihm verwandelte sich in eine tintenblaue Linie. Die Sand- und Kieshaufen am Flussbett verrieten ihm, dass
früher ein mächtiger Strom durch die Schlucht geflossen sein musste.
    Gabriel legte sich auf einen Sandstreifen und schlief ein, wachte aber wieder auf, als ein Wassertropfen auf sein Gesicht klatschte. Der graue Himmel war wolkenverhangen, und es hatte zu regnen begonnen. Wind kam auf. Die Tropfen klatschten gegen die Findlinge, und Regenwasser floss an den Felswänden herunter.
    Weil er sich nirgendwo unterstellen konnte, schloss Gabriel die Augen und spürte, wie der Regen auf seine Schultern schlug und über sein Gesicht rann. Das Gewitter schien ewig zu dauern, und immer neue Schauer fielen, bis die Wolken schlagartig verschwanden.
    Gabriel hatte angenommen, der Regen würde vom felsigen Boden abfließen und sich am Boden der Schlucht sammeln. Aber nichts hatte sich verändert. Der Bach war immer noch kaum mehr als zehn Zentimeter tief und floss ruhig über die glatten, rötlichen Steine. Gabriel marschierte minutenlang durch Wasser, bis er plötzlich eine Windbö von oben spürte und stehen blieb. Eine Flutwelle kam auf ihn zu und schob den Wind vor sich her. Es gab kein Entrinnen. Die Flut würde ihn mitreißen und gegen die Felsen schleudern.
    In der Ferne hörte er gedämpftes Donnergrollen. Wenige Sekunden später kam eine etwa einen halben Meter hohe Flutwelle um die Biegung geschossen und riss ihn fast von den Füßen. Das Wasser umspülte seine Beine, während er an den Rand der Schlucht watete und nach einer Möglichkeit zum Hinaufklettern suchte, nach einem Felsvorsprung oder Halt. Nichts.
    Abgestorbene Blätter

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