Treffpunkt Irgendwo
es zu kalt wurde«, erklärte mir Len. »Wir haben uns noch Feuer gemacht, aber dann kamen die Bullen. Ella meint, wir sollten jetzt wieder hierher. Vermutlich hat sie recht. Ist so fertig hier, da stört es keinen, wenn wir hier pennen.«
»Du willst hier wohnen?«, fragte ich ungläubig.
»Wieso nicht.« Len grinste. »In manchem besetzten Haus ist es auch nicht sauberer. Und du hättest mal das Wohnzimmer von Kai sehen sollen.«
»Aber das Köpi137 ist doch…«
»Das Köpi ist was für Touris«, würgte er mich ab. »Für Leute wie dich. Was zum Vorzeigen. Das ist nicht die Realität. Das hier ist echt.«
»Aber so kann man doch nicht leben.«
»Siehst du doch.« Len entfernte sich von mir. Mit seinem rechten Springerstiefel trat er gegen die am Boden liegende Matratze. »Wenn man die ein paar Tage rausstellt zum Trocknen, ist die wieder prima. Doch, Ella hat recht, ist vermutlich die beste Entscheidung. Hier fallen wir garantiert nicht auf.«
»Len…«
»Ne, das ist inzwischen für Ella und mich wichtig.«
»Für Ella, ja«, rief ich wütend, weil ich diesen Namen inzwischen nicht mehr hören konnte. Ella war eine dreckige Punkerin, die vermutlich auf Len scharf war. »Läuft zwischen euch was, oder wie. Ich kann viel ab, ja, aber für so eine offene Sache bin ich echt nicht zu haben.«
»Nein. Ella ist Ella«, versuchte Len, mich zu beruhigen. »Eine Freundin, eine echte Freundin. Aber nicht mehr. War nie mehr und wird auch nie mehr. Wir sind… wie Geschwister. Ich fühle mich irgendwie für Ella verantwortlich.«
»Wieso?« Ich hatte mich wieder einigermaßen im Griff und Len versuchte, mir gerade etwas von sich zu erzählen.
»Weil ich nicht verhindert habe, dass sie bei uns eingestiegen ist.«
»Ehrlich.«
»Ehrlich.« Len sah mich auf ganz eigenartige Weise an. Sein Blick war eine Mischung aus Traurigkeit und Ärger. »Ella und ich haben zusammen schon viel zu viel Scheiß gebaut. Und wir haben es überzogen. Ich hab’s dir ja gesagt, ich bin ein paarmal zu viel beim Schwarzfahren erwischt worden. Ella auch. Und dann läuft gegen uns ja noch dieses Verfahren wegen der Brandstiftung. Autos. Da will uns der Staatsschutz für drankriegen.« Len schlenderte durch den Müll, als sei er mit einem Makler auf Wohnungskauf. »Und ich habe ja Bewährung wegen… Ach, ist nicht wichtig. Jedenfalls müssen wir demnächst von der Bildfläche verschwinden. Bei einer Besetzung verhaftet zu werden, kann ich mir nicht leisten. Wenn man es genau nimmt, dann kann ich mir nicht mal mehr eine einfache Personenkontrolle leisten. Kann sein, die suchen mich schon. Ne, Ella hat schon recht, ist optimal hier. Also, Jana, wenn du mich demnächst besuchen willst, dann weißt du jetzt, wo du mich findest.«
»Das ist jetzt Verarsche?«
»Nein.« Er sah mich hart an. »Keine Verarsche. Das hier ist mein Leben.«
Ich schluckte.
»Willst du echt so weit runter?«
Mir stiegen Tränen in die Augen. Ich sah Len, die ekelhafte Matratze zwischen uns und dachte an die Nacht, die wir gemeinsam verbracht hatten. Das konnte ich nicht. Bei aller Liebe, das ging nicht.
»Warum nicht zu mir…«, flüsterte ich.
»Weil ich nicht mehr zurückkann«, antwortete Len. »Das hier ist jetzt meine Welt.«
»Es gibt immer einen Weg zurück.«
»Nicht im wirklichen Leben«, sagte Len leise.
Schweigend sind wir anschließend wieder zum Alexanderplatz gefahren. Dort angekommen verabschiedeten wir uns.
»Wir… Du könntest es doch zumindest versuchen!«, wagte ich erneut einen Versuch.
»Nein.«
»Len, das kannst du nicht bringen!«
»Glaub mir, es ist besser so. Du wirst mir fehlen, Jana.«
Der Tonfall, in dem er das sagte, dazu sein müder, altklug lächelnder Gesichtsausdruck brachten mich auf die Palme.
»Weißt du, was, du bist ein feiges Arschloch!« Ich drehte mich um und ließ ihn stehen. Ich schaffte es sogar, nicht zurückzusehen.
Die Fahrt zurück nach Marienfelde über hatte ich zwar Tränen in den Augen, doch richtig weinen konnte ich nicht. Ich war zu wütend für Selbstmitleid. In meinen Augen war Len ein Idiot, ich verstand ihn nicht, wollte ihn auch nicht verstehen. Es hätte doch alles so einfach werden können. Er wäre bei mir eingezogen, er hätte sich in meiner Schule angemeldet, ich hätte ihn meinen Freundinnen und Freunden vorgestellt und wir wären einfach zusammen gewesen. Auch das Finanzielle hätte man sicher regeln können. Es gab da doch Hilfen vom Amt. Ich war inzwischen echt gut informiert, wenn
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