Treffpunkt Irgendwo
lag quer über meinem Bett und seufzte. »Die leckt dir die Füße!«
»Das will ich aber nicht.«
»Ist aber trotzdem so.«
»Egal.« Ich setzte mich auf meinen Schreibtischstuhl. »Und, wie… also… wie findest du ihn?«
»Hab ich doch schon gesagt. Den würde ich auch nicht von der Bettkante stoßen.«
»Mia!«, rief ich mit gespielter Empörung.
»Nee, ehrlich.« Mia ignorierte mich einfach. »Echt kein Schmuddelpunk und den Iro, den scheint er richtig zu pflegen. Der ist gefärbt, oder?«
»Weiß ich nicht«, sagte ich vermutlich zum hundertsten Mal an diesem Tag. »Und was machen wir nun?«
»Ich weiß nicht, was du machst, aber ich mache Mathe. Morgen schrieben wir die Klausur.«
»Morgen schon?«
»Ja, wurde noch vor den Ferien groß angekündigt, aber was interessiert dich offenbar momentan die Schule.«
Kapitel 12
E s kostete mich ungeheure Selbstbeherrschung, aber ich schaffte es tatsächlich, Len fünf Tage Bedenkzeit zu geben. Ich schrieb die Matheklausur und Bio, ging zweimal zum Training und traf mich sogar einmal mit Louisa und Kathi zum Kino. Ebenso beruhigte ich meine Eltern, indem ich die meisten Nachmittage zu Hause war, vorwiegend allein oder mit Mia.
Doch stand ich dies alles nur durch, da ich in meiner Hosentasche den Schlüssel zu der Wohnung hatte. Mia, die sich wirklich als die allerbeste Freundin der Welt erwies, hatte ihn mir bereits am nächsten Tag zugesteckt, außerdem einen Zettel mit der Adresse.
Natürlich wäre ich liebend gerne sofort damit zu Len gestürmt, doch Mia hatte mir außerdem einen Computerausdruck von wetter.de unter die Nase gehalten.
»Hier, die Prognose für Berlin kommende Woche«, sagte sie. »Ab morgen wird es wieder kalt, Samstag und Sonntag sogar Schnee. Jana, glaub mir, wenn du es schaffst, bis Montag auszuhalten, dann verspreche ich dir, wird Len dir um den Hals fallen, wenn du ihm eine warme Wohnung anbietest.«
»Klingt aber echt manipulativ, oder?«
»Logisch, ist es ja auch. Und willst du ihn nun von der Straße und von Ella weghaben oder nicht?«
Also wartete ich bis Montag. Dann jedoch zog ich meine dicke Jacke an und machte mich auf den Weg.
Ich fand ihn weder am Alex noch an seinem Arbeitsplatz. Doch Zora, die Glatzköpfige mit Hund, traf ich dort und die gab mir den Tipp, ich könnte Len eventuell am U-Bahnhof Wittenbergplatz finden.
»Seit es so saukalt ist, sind da ’ne Menge People. Ist echt ’ne Scheißzeit. Wenn ich nicht Carrie hätte, wäre ich da auch. Doch die Bullen sind echt übel drauf bei Hunden. Alles Scheiße.«
Umgehend bin ich mit der U-Bahn zum Wittenbergplatz und tatsächlich, in der großen Eingangshalle war Len. Er stand mit etwa zehn anderen Punks, Straßenkindern und Pennern neben einem Kiosk. Len sah fertig aus. Übernächtigt, verfroren, einfach richtig schlecht halt.
»Tag!«
»Hey, Jana, wie geht’s?«
Er löste sich von der Gruppe, um mich zu umarmen. Len roch nach Kälte und Schweiß, Dreck und Straße. Mein Auftauchen interessierte sonst niemanden. Die Leute von Len standen mit gesenkten Köpfen schweigend beieinander, jeder offenbar in seinem eigenen Film.
»Alles okay?«, fragte ich.
»Scheißkalt.«
»Winter. Kann ich dich auf einen Kaffee einladen oder hast du was vor?«
»Kaffee ist geil.«
Wir gingen hinüber zu dem Backshop links hinten in der Eingangshalle und ich kaufte zwei große Latte macchiato. Len zog ein Tabakpäckchen aus der Jackentasche, drehte sich eine, legte sie dann aber nur vor sich auf den Tisch. Schweigend und an unseren Pappbechern nippend standen wir an dem kleinen Edelstahltisch.
»Tut gut. Ist echt kalt.«
»Hat das mit dem Bauwagen geklappt?«, fragte ich vorsichtig.
»Nein.«
»Scheiße. Len, ich…« Ich zögerte einen Moment. »Also, ich bin gekommen, weil… Mia hat mir den Schlüssel für die Wohnung gegeben. Und da wollte ich dich zumindest fragen. Aber vermutlich wirst du das gar nicht wollen.«
»Echt, du hast wirklich den Schlüssel organisiert…« Len sah irgendwie verlegen aus. »Hätte ich nicht gedacht… Also, von mir aus, wir können sie uns ja mal ansehen, oder?«
»Nur, wenn du willst.«
»Warum nicht.« Len fuhr sich mit der linken Hand durch den Iro.
»Okay. Bredowstraße, Nähe U-Bahnhof Turmstraße. Dann mal los«, sagte ich zufrieden.
Mit einmal Umsteigen brauchten wir knapp zwanzig Minuten, bis wir in Moabit waren.
»Hausnummer 8, der Name ist Schultze«, erklärte ich. Es war ein elend kalter Wind, der zwischen den hohen
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