Treibjagd - Unzensiert im Doppelpack (German Edition)
noch schwer gearbeitet zu haben. Die Pause kam ihm gerade recht. Ich begrüßte ihn und fügte sogleich hinzu, dass ich ein Streifenpolizist aus Detmold sei, der sich für ein Motorrad interessierte. Erst guckte er komisch aus der Wäsche, dann setzte er sich und begann ganz offenherzig zu erzählen, was ihm in letzter Zeit alles passiert war. Es schien ihm regelrecht unangenehm zu sein, und er versuchte es zu erklären. Ich denke, ich hätte ähnlich reagiert, denn wenn ich mir heutzutage den Einsatz gegen ihn vor Augen führe, so scheint er mir lächerlich und übertrieben. Ich gab ihm recht und sagte ihm, dass auch ich die ganze Art und Weise nicht nachvollziehen könne, aber nicht das Geringste damit zu tun hätte. Ich würde mich lediglich für ein tolles Motorrad interessieren. Nicht mehr und nicht weniger. Ich sah mir daraufhin ein paar der wirklich geilen Aufbauten und Bikes an, die auf dem Kiesplatz vor dem Laden abgeparkt standen, und verabschiedete mich mit den Worten: „Ich komme bald wieder.“Da mir das kurze Aufeinandertreffen gefallen und Thorsten bei mir einen guten Eindruck hinterlassen hatte, setzte ich meinen Entschluss in die Tat um und kam tatsächlich wieder. Deshalb erfuhr ich einige Zeit später von Jerry, dass seine ersten Worte nach meinen Besuch waren: „Das ist doch ein `Bullenspitzel`!“ Aber dasselbe hätte ich wohl auch gedacht.
9. Mein Baby
Von nun an besuchte ich Toni und Jerry regelmäßig. Der Laden, die Werkstatt, all die Harleys und anderen Custombikes sowie die Anwesenheit der beiden bildeten für mich eine Art Oase in meiner, zumindest beruflich, oft spießigen und eingefahrenen Welt. Vor dem Ladenlokal und der Werkstatt seiner Firma CRC-Custombikes befand sich, wie bereits erwähnt, ein großer Vorplatz, der überfüllt war mit Harleys. Mitten auf dem Platz stand ein überdimensionaler Sonnenschirm mit Holzbänken darunter. Dort saßen wir oft und führten fachspezifische Gespräche über Motorräder, lachten viel und genossen unser Dasein. Ab und zu saß ich auch mit Toni im Büro, umgeben von all den Angels-Insignien, Bildern und seiner Kutte, die entweder über dem Chefsessel oder an der Wand hing. Es war eine unbeschwerte Zeit, begleitet von der subtilen Anwesenheit des Hells Angels MC. Eines Tages fiel mir auf, dass Toni eine nagelneue Kutte besaß, dessen Rückseite der geflü- gelte Totenkopf und das Patch des Charters Hannover zierte. Ich fragte ihn sogleich: „Warum bist du jetzt in Hannover?“ Er antwortete zu diesem Zeitpunkt noch sehr distanziert auf alle Fragen, die den Club betrafen, und beließ es bei einem „ich bin gewechselt“. Später, als wir bereits enge Freunde waren, erfuhr ich von einem seiner Freunde, dass der Präsident des HAMC Hannover, der heimliche Europa-Chef der Hells Angels, Falk G., Toni persönlich angerufen hatte, um ihn zu sich in sein Charter nach Hannover zurückzuholen. Wörtlich soll es in etwas so geklungen haben: „Toni, du bist der einzig Fähige in Kassel und deshalb ein guter Mann für Hannover.“ Wie kann man einer derartigen Schmeichelei nicht erliegen? Der größte Teil der Kasseler Angels wie Marti, Wolf und andere wechselten in das Charter nach Hanau, denn das CharterKassel bekam nach dem Prozess den Status „frozen“ (eingefroren). Bis heute gibt es kein aktives Charter Kassel mehr. Nachdem es die Angels nicht mehr gab, etablierten sich die Bandidos dort wieder. Toni war nun (endlich) Member in Hannover und besuchte dort die wöchentlichen Clubabende. Viele Harleys der Hannoveraner Höllenengel standen von nun an vor Tonis Laden. Selbst die Maschine des Präsidenten. Da ich ein enthusiastischer Harley-Fan bin, liebte ich es, mich inmitten all dieser Schönheiten zu bewegen und fotografierte ganze Speicherkarten voll. Inzwischen hatte ich auch eine ganz genaue Vorstellung davon, wie mein Traumbike, mein Baby, aussehen sollte. Wir setzten uns zusammen und entwarfen mein Traumgefährt. Es zu beschreiben würde den Rahmen sprengen, deshalb gucken Sie sich einfach das Bild im „Fotoalbum 1“ in diesem Buch an. Es war schon in der Planungsphase schlichtweg ein Traum und ist bis heute meine absolute Lieblingsmaschine. Hoffentlich gibt es sie noch, wenn ich irgendwann wieder frei sein werde. Ein paar Daten will ich aber los werden: 1.800 ccm, 115 PS, 280er Hinterrad, schwarz lackiert und mit einem silbernen Totenkopf auf beiden Seiten des großen Tanks, dazu eine Sitzbank aus einem Schlangenlederimitat, vorverlegte
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