Trennung ohne Rosenkrieg - ein psychologischer Wegweiser
Ihr Partner. »Für mich ist eine Welt zusammengebrochen.« »Es ist, als wenn die Uhr plötzlich stehen geblieben ist.« … » Das kann doch wohl nicht wahr sein, sie haut einfach ab, hat vielleicht schon einen Neuen, ihr geht es wahrscheinlich super, und ich heule mir die Augen aus und mich beschäftigt nur eine Frage: Was habe ich nur falsch gemacht? Ich glaub’, es zerreißt mich noch!«
Auch wenn die Trennung lange »vor der Tür stand« , kann das Ende einer langjährigen Beziehung nur schrittweise innerlich realisiert werden, besonders dann, wenn die Trennung ohne Vorbereitungszeit mitgeteilt und vollzogen wird. Somit kann es bei demjenigen, der sich der Situation völlig ausgeliefert fühlt, zu einer psychischen Krise kommen. Je fragiler das Selbsterleben ist, umso heftiger werden Gefühle wie Ohnmacht, Panik, Wut und Rachegefühle erlebt.
▶▶ Beispiel: Es zerbricht mir das Herz …
Frau F. hat sich stets für ihren Mann und ihre Familie eingesetzt und trotz aller Belastung ihren eigenen Beruf nicht aufgegeben. Sie freut sich auf die Silberhochzeit im kommenden Jahr und erzählt ihrem Mann immer wieder von ihren Plänen. Dieser wirkt abwesend und erklärt es mit viel beruflichem Stress, der ihn immer länger an den Arbeitsplatz bindet. Durch Zufall entdeckt Frau F. eine E-Mail auf dem Laptop ihres Mannes, die eindeutiger nicht sein kann. Für sie bricht eine Welt zusammen, eine Welt von unbedingtem Vertrauen und Glauben an eine gute Beziehung. Sie konfrontiert ihren Mann mit ihrer Entdeckung. Herr F. bezichtigt sie des Vertrauensbruchs, da sie ihm hinterherschnüffle, und außerdem habe er schon seit einiger Zeit eine Wohnung angemietet und werde so schnell wie möglich ausziehen. Er geht ohne Worte, regelt alles Notwendige schriftlich und reicht nach einem Jahr die Scheidung ein. Ein halbes Jahr später ist er wieder verheiratet. Frau F. versinkt in eine Depression und braucht therapeutische Hilfe.
▶▶ Beispiel: Sie war die Liebe meines Lebens, jetzt ist sie mein Ruin …
Herr Z. lebt seinen Lebenstraum mit seiner Frau, zwei Kindern und einem selbst gebauten Haus im Grünen. Er liebt seine Frau, auch wenn sie hinund wieder über finanzielle Einschränkungen klagt. Da sie sich keinen Urlaub leisten können, nutzt sie eine Mutter-Kind-Kur, »um mal rauszukommen«. Dort verliebt sie sich in einen verwitweten Vater. Nach ihrer Rückkehr teilt sie ihrem Mann mit, dass sie sich trennen will und mit den Kindern zu diesem Mann in eine andere Stadt ziehen wird. »Ich habe nicht nur meine Frau, meine Zukunft und meine Träume verloren, sondern auch meine Kinder und viel Geld. Und dann ist sie auch noch richtig weit weggezogen, sodass ich die Kinder nur noch in den Ferien sehen kann. Sie tut alles, um mir die Kinder zu entziehen. Die Kinder sind doch alles, was ich noch habe.« Es beginnt ein gerichtlicher Kampf um die Kinder, bis Herr Z. lernt, seinen Schmerz, seine Wut und Ohnmacht anders zu verarbeiten als über den Kampf um die Kinder. Auch Frau Z. wird kompromissbereiter, und mithilfe einer Therapeutin erarbeiten die Eltern verlässliche Umgangsregelungen für die Kinder.
Der Schock der Trennungsnachricht kann auch mit Gefühlen von Betäubung und Lähmung einhergehen. Dann wirken die Betroffenen wie unbeteiligt und sehr kontrolliert, da sie im Alltag weiter funktionieren, einen Anwalt aufsuchen und viel organisieren. Es scheint so, als hätten sie die Trennung sehr schnell akzeptiert. Doch es ist ein erster psychischer Mechanismus, sich vor noch unerträglichen Gefühlen zu schützen. Wir brauchen diesen Schutz, um Zeit zu gewinnen, uns auf plötzlich eingetretene Verluste einzustellen.
Verena Kast beschreibt vier Phasen der Trauer, die auf Trennungsprozesse ebenfalls zutreffen können (Kast 1982):
Phase des Nichtwahrhabenwollens
Die Trennungsrealität kann noch nicht wahrgenommen werden. Körper und Seele schützen sich vor einer Überflutung des Schmerzes und
stellen sich taub.
Phase der aufbrechenden Emotionen
Die Trennungsrealität »schlägt in aller Härte« zu und wird mit starken und widersprüchlichen
Gefühlen wie Trauer, Zorn, Angst, Verzweiflung,Liebessehnsucht, Hilflosigkeit, Ohnmacht und Verlorenheit beantwortet.
Phase des Suchens und Sichtrennens
Die Trennung wird als gegeben akzeptiert, und die Verluste werden als schmerzvoll, aber
verkraftbar hingenommen. Eigene Ressourcen und Veränderungsimpulse öffnen den Blick nach vorn.
Phase des neuen Selbst- und Weltbezuges
Weitere Kostenlose Bücher