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Trennung ohne Rosenkrieg - ein psychologischer Wegweiser

Trennung ohne Rosenkrieg - ein psychologischer Wegweiser

Titel: Trennung ohne Rosenkrieg - ein psychologischer Wegweiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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kompromisslos verlassen. Dann können alle emotionalen Dämme brechen und zu einer bodenlosen Verlassenheit und Trauer führen. Die eigentliche Kränkung wird erst zu einem späteren Zeitpunkt spürbar und kann sich in starken bis unkontrollierten Wutausbrüchen einen Weg bahnen.
    Viele Männer leiden zudem unter dem reduzierten Kontakt zu den Kindern, da sie oftmals nicht die Hauptbetreuung der Kinder übernehmenkönnen oder wollen. Die Trauer um die verlorene Familie, die Angst, die Kinder zu verlieren, und Auseinandersetzungen über Besuchsregelungen überdecken oftmals Verlustgefühle bezüglich der Paarbeziehung. Diese Trauer um die verlorene Liebesbeziehung ist jedoch nicht nur für die Loslösung der Erwachsenen, sondern auch für die Kinder entlastend. Nehmen die Erwachsenen ihre Verluste emotional wahr, können sie diese auch betrauern. Mit diesem Erleben gelingt es ihnen besser, die Trauer ihrer Kinder wahrzunehmen und feinfühlig darauf zu reagieren. »Erlebt das Kind mit der Trauer die dazugehörende gegenseitige Wertschätzung der Eltern, bleibt ihm erspart, für einen Elternteil Partei zu ergreifen und/oder auf eine Seite gezogen zu werden.« (Sieder 2008)
    ▶▶ Beispiel: Heftige Gefühle
    Herr A. hat sich nach Jahren quälender Beziehung mit vielen Hochs und Tiefs von seiner Frau getrennt. Er fühlt sich nach dem
Auszug befreit und hat nach langer Zeit wieder Lust, alte Freunde zu treffen und seinen Hobbys nachzugehen. »Ich habe nur noch funktioniert und nicht
mehr gelebt.« Mit Elan beginnt er, seine Wohnung einzurichten. »Nur meine Ideen zählen.« … Das erste getrennte Weihnachtsfest naht. Herr A. freut
sich, dass sein erwachsener Sohn seine Wohnung kennenlernen und am Heiligen Abend bei ihm sein möchte. Er schmückt seine Wohnung, richtet das
Weihnachtsessen und bemerkt einen eigenartigen Druck auf seiner Brust. Sein Sohn kommt, und sie begrüßen sich herzlich. Sie nehmen sich spontan in den
Arm, was schon lange nicht mehr passiert ist. Wie »aus heiterem Himmel« beginnt Herr A. stark zu weinen: »Es schoss aus mir heraus, wie ein
Wasserfall, ich konnte nur noch weinen, und schließlich weinten wir beide. Es war verrückt, weil es mir doch eigentlich gut geht, aber es hat
irgendwie befreit. Wir waren uns so nah wie nie zuvor. Mein Sohn hat mir erzählt, dass er unsere Trennung verstehe, aber trotzdem immer noch traurig
sei, weil wir keine richtige Familie mehr sind.«
    EMPFEHLUNG
    Heißen Sie Ihre Trauer willkommen. Ihre Tränen sind eine natürliche körperliche Reaktion auf Ihren Verlust. Weinen wird Ihnen helfen, sich aus unerträglichen Spannungszuständen zu lösen. Es kann sein, dass Ihr Weinen sehr zaghaft oder stockend, aber auch sehr heftig ist, dass Sie von Weinkrämpfen geschüttelt werden. Sie müssen damit rechnen, dass plötzlich frühere Verluste und die entsprechenden Emotionen reaktiviert werden. Bleiben Sie fürsorglich mit sich und sorgen Sie für Tröstendes, sei es durch eine Vorstellung, sich selbst in den Arm zu nehmen wie eine Mutter ihr Kind, sei es, etwas zu tun, was Ihnen guttut oder sei es, die Nähe eines vertrauten Menschen zu suchen.
    Trauern heißt, sich von Überholtem, Überlebtem und Vergangenem zu verabschieden, und bereit werden für Wandel und Neubeginn. Trauern heißt für getrennte Partner, die Hoffnung auf eine weitere gemeinsame Beziehung aufzugeben. Die Trauer taucht im Verlauf des Abschiedsprozesses immer wieder auf. Mal laut, mal leise und immer wieder in einem ›neuen Kleid‹; im Weinen und Klagen, in Wutausbrüchen, in körperlichen Reaktionen, in Schuldgefühlen und in sehnsuchtsvollen Erinnerungen – bis der Verlust akzeptiert wird und neue Lebensperspektiven erkennbar werden.
    Trauerprozesse sind individuell sehr unterschiedlich und reichen von der gänzlich vermiedenen bis zur chronischen Trauer. Dann bleibt der Betreffende unfähig, ein neues Leben zu planen. Ohne Trauerarbeit misslingt die Ablösung, da die eigene Wahrnehmung nach hinten gerichtet ist. Derjenige bleibt in sich selbst, in seinen Wünschen und Fantasien gefangen. Der Blick nach vorn ist verstellt, und neue Erfahrungen sind nur begrenzt möglich. Ohne Trauer gibt es keine Neuorientierung im Leben und keine kreativen Gestaltungsideen für die Zukunft. Trauergefühle kann man zwar unterdrücken, sie werden dadurch jedoch nicht ausgelöscht, sondern setzen sich als unterdrückte Emotion im Körper fest und drängen in verschiedenster Gestalt bei entsprechender

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