Trennung ohne Rosenkrieg - ein psychologischer Wegweiser
säße Ihnen hier gegenüber, auf diesem leeren Stuhl. Stellen Sie sich ihn so realistisch wie möglich vor, sein Aussehen, seinen Blick, seine Haltung, und teilen Sie ihm alle vorher erinnerten Situationen jeweils mit einem Satz mit. Achten Sie auf Ihre Gefühle, die sich einstellen, und drücken Sie das jeweilige Gefühl durch Worte, eine Gestik oder eine Haltung aus, die Ihnen spontan dazu einfällt. Sie beginnen immer mit dem Satzanfang: »Ich fühle mich dadurch verletzt, dass du …, und das macht mich« (wütend, traurig, sprachlos, verzweifelt) … »dafür würde ich am liebsten« … oder, »dafür möchte ich mich rächen« … je nachdem, was für Sie als emotionale Antwort auf die Verletzung passt.
Haben Sie sich emotional Ihren Verletzungen gestellt, geben Sie Ihren damit verbundenen Gefühlen Raum. Sie werden sich erschöpft, aber auch entlastet fühlen, weil Sie etwas von innen nach außen gebracht haben. Sie haben psychische Arbeit geleistet, denn die Zeit allein heilt nicht alle Wunden. Sie hilft uns aber, mit dem Schmerz umgehen zu lernen und Abstand zu gewinnen.
Sollten Ihnen für Ihre Verletztheit Worte fehlen oder » zu schade « sein, können Sie auch auf einem anderen Weg Ihren Gefühlen Ausdruck verleihen – indem Sie malen. Halten Sie Papier und Stifte bereit, so können Sie immer wieder Ihre unterschiedlichen Stimmungen und Emotionen ausdrücken und beginnen, zu verarbeiten. Möglicherweise entdecken Sie ungeahnte Freude am Malen und an Ihren künstlerischen Fähigkeiten. Manche Menschen haben mehr Lust zum Kritzeln mit einem Bleistift und legen sich ein Kritzelbuch für emotionale Spannungszustände an.
▶ ÜBUNG: MALEN
Nehmen Sie sich eine Auszeit und ein größeres Blatt Papier und Farben Ihrer Wahl (Acryl- oder Wasserfarben, Wachsmalstifte …). Malen Sie einen Rahmen, bevor Sie das eigentliche Bild beginnen. Je nach Ihrer emotionalen Verfassung können Sie malen, was aus Ihnen herausdrängtoder Bilder zu »meine Wut«, vielleicht auch ein Bild zu »meine verletzte Seele«, »meine Angst« oder »meine Trauer«. Das Malen hilft, Gefühle wahrzunehmen, auszudrücken und die verletzte Seele zu heilen.
▶▶ Beispiel: Ich fühle mich unendlich verletzt
Frau E., eine Teilnehmerin in einer Trennungsgruppe, verhält sich lange Zeit sehr still und zurückhaltend. Bei Nachfrage kommt immer wieder die monotone Antwort, dass sie gern zuhöre und entsetzt sei, was alles bei den anderen passiert sei. Bei ihr in der Beziehung sei doch eigentlich immer alles so gut gewesen. Frau E. vermeidet, auch nach einem Jahr »unfreiwilliger Trennung«, sich emotional auf das Geschehen einzulassen. Sie verharrt innerlich in der verloren gegangenen Beziehung. Erst als sie sich in einer Übung ihren verletzten Gefühlen stellt, bahnen sich ihre lang zurückgehaltenen Emotionen den Weg. Es hilft ihr, zu Hause ihren aufbrechenden Gefühlen von Schmerz, Zorn und Trauer Raum und Begrenzung zu geben, indem sie eine Serie von ›Verletzungsbildern‹ malt. Über die mitgebrachten Bilder kann sie sich in der Gruppe emotional verständlich machen und erfährt viel Wertschätzung und Unterstützung von den anderen TeilnehmerInnen.
Trauern heißt, sich zu erinnern, um zu spüren, was wir durch die Trennung verloren, aber letztendlich auch gewonnen haben. Es bedeutet, sich von vielen Dingen zu verabschieden, die wir in Zukunft nicht mehr mit dem getrennten Partner erleben werden oder die wir versäumt haben zu leben. Bedauern wir auch das Ungelebte in der vergangenen Beziehung, gelingt es uns leichter, uns von Selbstvorwürfen zu befreien. Trennungsbetroffene in dieser Phase erinnern sich schmerzvoll an die schönen Erlebnisse in der vergangenen Beziehung. Die gemeinsame Vergangenheit immer wieder an sich vorbeiziehen zu lassen hilft, das Gute in der Beziehung zu halten, aber auch die Idealisierung aufzugeben und problematische Situationen zu erinnern. Damit erleben wir schmerzlich, dass vieles auch nicht geglückt ist, dass wir uns gegenseitig und uns selbst einiges schuldig geblieben sind. Eigene unerfüllte Wünsche und Veränderungsversuche,die ins Leere gelaufen sind, tauchen auf und verändern den Blick und die Trauer.
Manche Menschen klagen in dieser Phase nicht so sehr über traurige Gefühle, sondern über stundenlange Grübeleien, besonders in Zeiten des Alleinseins am Abend oder in der Nacht. Die trüben Gedanken kreisen um Schuld oder Suche nach Erklärungen für die Trennung, um positive und negative
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