Trennung ohne Rosenkrieg - ein psychologischer Wegweiser
erschöpft sie die Belastung des getrennten Lebens zunehmend. Da ihr Partner vor der Trennung die Hauptbetreuung der Kinder innehatte und »wenigstens das gut gemacht hat«, fehlt ihr jetzt die Entlastung. Sie hat sich vorgenommen, alles allein zu schaffen und nicht mehr auf die Unterstützung des Partners angewiesen zu sein. Deshalb hat sie die Besuchsregelung des Vaters so knapp wie rechtlich möglich festgelegt. Sie merkt, dass die Kinder unter dem reduzierten Kontakt zum Vater leiden. Frau O. selbst hat ihre Belastungsgrenze überschritten. Sie ist im Job weniger leistungsfähig und erschöpft, es droht ein Burnout. Sie ist kurz davor, in die Beziehung zurückkehren zu wollen, da sie keinen anderen Ausweg mehr sieht. »Zurückkehren in die alte Situation ohne Aussicht auf Veränderung, nur weil ich es allein nicht schaffe?« Frau O. lässt sich auf die Frage ein, ob sie denn wirklich alles allein schaffen müsse. Wir erarbeiten mögliche Unterstützungen von außen, von der Nachbarschaftshilfe bis zur Mutter-Kind-Kur und der zeitlichen Ausdehnung der väterlichen Betreuung. Frau O. bleibt auf ihrem Trennungsweg.
Phasen der Niedergeschlagenheit gehören zum Trennungsprozess immer wieder dazu und folgen häufig auf Zeiten heftiger innerer und äußerer Auseinandersetzungen. Die ersten Stürme sind vorbei, und es ist plötzlich still. Erschöpfung und Leere breiten sich aus und führen nicht selten in den Rückzug:
→ Wann bedeutet der Rückzug Zeit zum Atemholen und zum Standhalten?
→ Wann ist der Rückzug eine Flucht nach hinten, in die Opferrolle, in die Hilflosigkeit, in die Aufgabe, Sucht oder Depression?
→ Wann ist der Rückzug eine Flucht ins Nirgendwo, in eine übereilte neue Beziehung oder in sexuelle Abenteuer?
→ Wann bedeutet der Rückzug Eintauchen in negative Gedankenspiralen und destruktive Muster?
EMPFEHLUNG:
Dauert Ihr innerer und äußerer Rückzug mehrere Wochen, beschäftigen Sie sich nur mit der Vergangenheit, Ihrem Schmerz und den Zukunftssorgen, entwickeln Sie Suchttendenzen, vernachlässigen Sie sich innerlich und äußerlich, Ihre Kinder, Ihre Freunde und Ihre Gewohnheiten, stimmt etwas nicht. Sie brauchen therapeutische Hilfe in Einzel- oder Gruppensitzungen, um die Trennung zu bewältigen. Es kann sein, dass Sie einen Ihrer emotionalen Tiefpunkte erreicht haben.
Jeder von uns hat gelernte Muster, wie wir in schwierigen Situationen mehr oder weniger automatisch wahrnehmen und denken. Überprüfen Sie im Folgenden Ihre persönliche Tendenz, in Belastungssituationen zu denken:
Schwarzsehen
Dann ist unsere Blickrichtung eingeschränkt wie in einem Tunnel. Wir nehmen nur einen Teil unserer Realität wahr, nämlich das Negative. Positives wird herausgefiltert, die Aufmerksamkeit hängt sich geradezu an allem Problematischen auf, statt nach Lösungen zu suchen. »Ich werde keine Arbeit finden, ich bin zu alt, mein Abschluss reicht nicht, ich werde lauter Absagen bekommen, die Kinder werden auf die schiefe Bahn geraten, ich werde im Alter arm sein …«
Über- und untertreiben
Dann geben wir den Ereignissen und Dingen mehr Bedeutung, als sie tatsächlich haben – im Positiven wie im Negativen. Schon in der Planung einer Idee oder eines Vorhabens überwiegen der Zweifel und dieAnnahme, dass etwas schiefgehen könnte: Eine verlorene Uhr wird zu einer Katastrophe, ein kleines Missgeschick zu einem unverzeihlichen Fehler, eine Verspätung zu einem verdorbenen Abend. Oder umgekehrt: Eine Höchstleistung wird zu einer normalen Leistung, die bisherige Trennungsleistung wird als nichts erlebt im Vergleich zu anderen oder zu dem, was noch erwartet wird. Das, was gelungen ist, nehmen wir nicht wahr oder spielen es massiv herunter.
Verallgemeinern
Ein einzelner Vorfall bleibt nicht das, was er ist, nämlich einzeln. Es bildet sich in uns innerlich die Vorhersage, dass es mit Sicherheit immer so sein wird, dass andere auch so denken, dass andere es auch so machen, dass eine verspätete Unterhaltszahlung zukünftig immer verspätet sein wird, dass unsere Partnerin immer schon unpünktlich war und bleiben wird, dass unser Kind wie alle Scheidungskinder eine lebenslange Störung davontragen wird … Worte wie man, immer, nie, noch nie usw. unterstreichen unsere Behauptung.
Polarisieren
Unser Fühlen, Denken und Handeln bewegt sich zwischen entweder – oder, schwarz oder weiß. Für Zwischentöne bleibt kein Raum. Der Tag war entweder superschön oder saublöd . Deuten wir die Realität in
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