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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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wenn du magst, können wir dann mal zu einem Fußballspiel gehen. Oder in den Gorki-Park.« Würde er Schenja nicht kennen, hätte er keinen Grund zu der Annahme, dass der Junge wirklich existierte. Nur probehalber sagte er: »Baba Jaga hat einen Wolf.«
    Der Atem am anderen Ende der Leitung ging merklich schneller.
    »Der Wolf lebt in einem roten Wald mit seiner Frau, einer Menschenfrau, die fliehen möchte. Er weiß nicht, ob er sie fressen oder behalten soll, aber er weiß, dass er jeden fressen wird, der ihr zu helfen versucht. Tatsächlich liegen überall im Wald die Knochen derer herum, die es versucht haben. Ich wollte deinen Rat. Ob ich es wohl versuchen soll. Was meinst du? Lass dir Zeit. Ziehe alle Möglichkeiten in Betracht, wie bei einer Schachpartie. Wenn du es weißt, ruf mich an. Und sei brav bis dahin.« Er unterbrach die Verbindung.
    Liverpool trug rote Trikots, Chelsea weiße. Surin rief an, aber Arkadi ging nicht ran. Etwas baumelte direkt vor seiner Nase, glitzerte wie eine Spiegelkugel, doch jedes Mal, wenn er die Hand danach ausstreckte, verschwand es. Oder hüpfte davon wie der einfüßige isländische Kobold, den man nur aus dem Augenwinkel sehen konnte.
    Vanko hatte behauptet, Alex verdiene viel Geld. Im Bauch der Bestie, wie Alex sich ausdrückte. Welcher Bestie eigentlich?
    Arkadi schlug die Akte auf. Auf dem Bewerbungsformular von NoviRus waren eine Website, eine E-MailAdresse, Telefon- und Faxnummer angegeben.
    Arkadi wählte die Telefonnummer, und eine Frauenstimme flötete: »Willkommen bei NoviRus. Was kann ich für Sie tun?«
    »Bitte die Abteilung Dolmetschen und Übersetzen.«
    »Die juristische oder die internationale? Oder die Sicherheitsabteilung?«
    »Sicherheitsabteilung.« Darauf wäre er nie gekommen. »Einen Moment, bitte.«
    Arkadi wartete, bis eine schroffe Männerstimme sich meldete. »Sicherheitsabteilung.«
    »Ich hätte gern Alex Gerasimow gesprochen.«
    Eine Pause, bis er den Namen getippt hatte. »Sie wünschen die Unfallabteilung.«
    »Ganz recht.«
    »Einen Moment.«
    Nach einem Fehlpass von Chelsea startete ein Liverpooler Stürmer einen Konter, trickste den Torhüter aus und erzielte ein Tor. Arkadi hatte früher selbst Fußball gespielt. Als Torhüter. Ein Torhüter lebte in ständigen Ängsten und Zweifeln. Doch hin und wieder rettete er unverdientermaßen mit einer überraschenden Parade.
    »Unfallabteilung.« Die zweite Männerstimme klang nicht annähernd so soldatisch.
    »Alex Gerasimow?«
    »Nein. Der kommt erst in zwei Wochen wieder.«
    »Arbeitet er als Dolmetscher und Übersetzer?«
    »Ganz recht.«
    »Für die Unfallabteilung?«
    »Auch das ist richtig.«
    »Er wollte mir eine Auskunft geben.«
    »Tut mir Leid, er ist nicht hier. Ich bin Igor.«
    Ein gutes Zeichen. Ein Mann, der seinen Namen nannte, lud zum Gespräch ein.
    »Entschuldigen Sie die Störung, Igor, aber Alex wollte mit mir über den Job sprechen.«
    Arkadi hörte ein Rascheln, als werde eine Zeitung weggelegt.
    »Haben Sie denn Interesse?«
    »Großes.«
    »Haben Sie schon mit der Personalabteilung gesprochen?«
    »Ja, aber Sie wissen ja, wie das ist. Die geben einem nie eine ehrliche Auskunft. Das wollte Alex tun.«
    »Das kann ich auch.«
    NoviRus, so erklärte Igor, bot russischen und ausländischen Kunden den üblichen Personenschutz in Form von Leibwächtern und Fahrzeugen. Darüber hinaus standen für ausländische Kunden Dolmetscher bereit, die ihnen Beistand leisteten, wenn sie in einen Verkehrsunfall verwickelt wurden, Scherereien mit der Polizei bekamen oder in sonstige Schwierigkeiten gerieten. Durch ihre bloße Gegenwart konnten sie gefährliche oder kostspielige Missverständnisse ausräumen, wie sie etwa mit Prostituierten immer wieder vorkamen. Zudem stand für solche Fälle ein Sonderfonds zur Verfügung. Neben einem abgeschlossenen Universitätsstudium wurde von Dolmetschern ein gepflegtes Äußeres und die Beherrschung von zwei Fremdsprachen verlangt. Gearbeitet wurde jeden dritten Tag in Vierundzwanzig-Stunden-Schicht, und der Stundenlohn betrug stattliche zehn Dollar, für eine Teilzeitbeschäftigung optimal. Was die Personalabteilung den Bewerbern allerdings verschwieg, war, dass man während der Vierundzwanzig-Stunden-Schicht entweder pausenlos durch Moskau hetzte, von einem Notfall zum nächsten, oder aber überhaupt nichts zu tun bekam und den ganzen Tag und die ganze Nacht in einem Kellerraum verbrachte, der nicht viel größer war als ein Schrank, mit drei

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