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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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neuen Porschekabrio am Fluss lang gegondelt. Richtige Turteltauben.«
    Laut hupend rollte ein Bus aufs Spielfeld und spie holländische Polizisten mit Helmen und Schilden aus.
    »Übrigens«, sagte Viktor, »in Bezug auf Alex Gerasimow könntest du Recht gehabt haben. Eine Woche, nachdem sich sein Vater das Hirn rausgepustet hat, ist er aus dem vierten Stock gefallen oder gesprungen. Aber er hat’s überlebt. Ist er so verrückt oder so zäh?«
    »Beides.«
    »Wo steckt eigentlich Bobby?«, fragte Viktor. »Sein Handy ist abgestellt. Was geht bei euch vor? Ist das Fußball, was ich da höre?«
    Nur Viktor würde einen Krawall zutreffend als Fußballspiel deuten, dachte Arkadi.
    »Irgendwie schon. Besorg dir die Privatnummer der Zahnärztin, nur um ihre Stimme zu hören. Und wenn Surin anruft …«
    »Ja?«
    »Du hast seit Wochen nicht mehr mit mir gesprochen.«
    »Schön wär’s.«
    Arkadi klappte das Handy zu und spulte das Videoband zu der Stelle zurück, wo Polizeibusse ins Bild rollten. Das Handy klingelte. Die Anruferkennung zeigte eine Ortsnummer.
    »Arkadi?« Es war Eva.
    Es folgte eine Pause, in der britische Fans mit Sitzkissen, Flaschen und Münzen warfen.
    »Eva, ich glaube, ich habe dein Verhältnis zu Alex falsch eingeschätzt.«
    »Arkadi .«
    Schläger mit nacktem Oberkörper und eintätowiertem Union Jack rissen einheimische Fans zu Boden und traten mit den Stiefeln nach ihnen.
    Eva sagte: »Alex meinte, du wärst wieder in Moskau.«
    »Ach?«
    Lag ein Opfer erst mal am Boden, konnte man ihm in alle möglichen empfindlichen Stellen treten. Manche Hooligans, Briten wie Russen, waren Virtuosen mit Stahlkappenstiefeln. Unterdessen duckten sich die Polizisten unter einem Hagel von Wurfgeschossen.
    »Ich dachte, du wärst schon fort.«
    »Das war ein Irrtum.«
    Der Mob drängte aufs Spielfeld, durchbrach die Polizeikette und rüttelte an einem Bus. »Ich höre Schreie. Wo bist du, Arkadi?«
    »Kann ich dir nicht sagen.«
    »Traust du mir nicht?«
    Er ließ die Frage im Raum stehen. Der Busfahrer hatte die Türen verriegelt, saß aber in der Falle. Die Busfenster zerbarsten.
    »Was kann ich tun?«, fragte Eva.
    Randalierer stemmten sich mit den Schultern gegen den Bus und brachten ihn zum Schaukeln. Die Innenbeleuchtung brannte. Der Fahrer rannte auf und ab. Er sah aus wie eine Motte in einer schwingenden Lampe.
    »Wenn du mir helfen willst«, erwiderte Arkadi, »dann sag mir, was Alex in seiner freien Zeit in Moskau macht. Du stehst ihm nahe.«
    »Darüber willst du jetzt reden?«
    »Kannst du mir helfen, ja oder nein? Womit verdient ein Radioökologe in Moskau Geld?«
    Die Polizei versuchte, einen Keil zwischen die Randalierer zu treiben, um den Bus zu retten. Doch eine Anzahl von Hooligans war mit Helmen und Stöcken ausgerüstet und leistete zähen Widerstand. Ein Polizist, der ihnen in die Hände fiel, drehte sich unter den Hieben seltsam im Kreis.
    »Kannst du mir helfen?«, fragte Arkadi. »Ja oder nein?«
    Unter lautem Jubel kippte der Bus um. Gestalten kletterten auf ihm herum, traten die Scheiben ein und zogen den Fahrer heraus.
    »Bitte nicht«, sagte sie.
    »Kannst du mir helfen? Ja oder nein?«
    Zu spät traf ein Wasserwerfer ein, um das Spielfeld zu räumen. Als der Strahl die Menge zurücktrieb, nahm der Ansturm auf die Ausgänge panikartige Formen an. Eine zweite Welle von Leibern wälzte sich auf die Kamera zu und verschluckte sie.
    »Nein? Schade.« Arkadi legte auf.
    Die nächsten Bilder waren später geschnitten worden. Polizisten, die auf dem Rasen und den leeren Tribünen Kleidungsstücke auflasen, Fotos machten und einen Kranwagen bedienten, mit dem sie den umgeworfenen Bus wieder aufrichteten. Für den Fall, dass jemand darunter lag, stand eine Ambulanz bereit. Ein für sie beide sehr schmerzliches Gespräch, dachte Arkadi. Er hatte ihr wehgetan, natürlich. Und dadurch, dass er das Gespräch beendet und seine Macht demonstriert hatte, hatte er sich der Möglichkeit beraubt, ihr zuzuhören. Er hatte sich die tiefe Genugtuung verschafft, zwei Menschen gleichzeitig das Messer in die Brust zu stoßen. Von dieser Art Schmerz konnte ein Mann ein Leben lang zehren. Der Bus wackelte, als er wieder auf die Räder gestellt wurde. Keine Leichen. Die letzte Einstellung zeigte den Spielstand auf der Anzeigetafel: 0:0. Als wäre überhaupt nichts passiert.
    Große Geister hielten die unterschiedlichen Bereiche ihres Lebens getrennt. Arkadi legte Vankos Kassette ein, spulte vor, dann zurück.

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