Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files
allerletzten Moment abgebrochen.«
Sie nickte. »Ja, ja, natürlich. Also gut, ich würde die Sache gern so schnell wie möglich über die Bühne bringen. Ich bin bereit, Ihnen einen Bonus zu bezahlen, wenn Sie den Test morgen Abend durchführen.«
Zum ersten Mal seit ich Raymond Jacobs Büro verlassen hatte, fiel mir Jamie wieder ein. Morgen Abend war unser zweites Date, und ich konnte mir keinen besseren Grund vorstellen, um Mrs. Miller einen Korb zu geben. »Tut mir leid, aber da bin ich bereits anderweitig verplant.«
»Wie wär’s dann mit Montagabend?«, fragte sie hastig. Die Gute konnte es ja wirklich kaum erwarten. »Da ist Daniel im Hotel W verabredet, eine gute Gelegenheit also.«
Ich zögerte. Normalerweise lasse ich zwischen der Erteilung des Auftrages und dem Test mindestens eine Woche verstreichen. »Nun...«
»Ich würde Ihr Honorar verdreifachen.«
Ich musterte sie erstaunt. Diese Frau hatte definitiv nicht alle Tassen im Schrank, und sie benötigte dringend eine ordentliche Dosis Realitätssinn. Trotzdem war ich versucht, ihr Angebot anzunehmen. Ich konnte das Geld vielleicht noch gut gebrauchen – zum Beispiel, wenn ich wegen Raymond Jacobs demnächst arbeitslos war.
Also nickte ich.
»Hervorragend«, sagte Mrs. Miller. »Mein Mann wird sich in der Hotelbar mit einigen Geschäftspartnern treffen, und danach bleibt er gern noch auf einen Drink sitzen, um sich zu entspannen und die Details der vorangegangenen Besprechung zu verdauen, ehe er nach Hause kommt.«
Ich machte mir eine entsprechende Notiz. »Okay. Könnten Sie mir vielleicht ein Bild von Ihrem Mann borgen?«
»Natürlich.« Sie erhob sich, öffnete behutsam die Schublade des Beistelltischchens und entnahm ihr ein Foto im DIN-A-5-Format. Abgesehen davon war die Schublade leer. Nicht ein einziger anderer Gegenstand befand sich darin. Ich starrte neugierig auf die geöffnete Schublade, bis sie sie wieder schloss und mir das Foto reichte.
Das Gesicht auf dem Bild schien mir irgendwie vertraut,
obwohl ich ziemlich sicher war, dass ich dem Mann noch nie begegnet war.
»Stimmt irgendetwas nicht?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Ihr Gatte sieht bloß einem Bekannten von mir ähnlich.«
»Ah.« Sie lächelte, als hätte sie das nicht zum ersten Mal gehört.
»Was macht Mr. Miller denn beruflich?«
Die Frage war ihr sichtlich unangenehm, denn sie rutschte ein wenig in ihrem Sessel herum, was ganz und gar nicht zu ihrem sonst so unergründlichen Verhalten passen wollte.
»Nun, ehrlich gesagt...« Sie zupfte sich am Ohrläppchen; auch das eine reichlich untypische Geste für sie. Als würde ausgerechnet diese Frage sie nervös machen. »... befindet sich mein Mann gerade in einer beruflichen Umbruchsphase.«
Ich nickte und notierte mir auch das.
»Er wurde kürzlich entlassen und ist auf der Suche nach einer neuen Stelle. Ich nehme an, genau darum geht es bei dem Meeting am Montagabend.«
»Verstehe«, sagte ich, ohne aufzublicken.
»Aber sprechen Sie ihn um Himmels willen nicht darauf an!«, stieß sie hervor.
Ich fuhr vor Schreck über diesen unerwarteten Gefühlsausbruch zusammen, sodass mein Stift einen hässlichen schwarzen Strich quer über die halbe Seite zog. »Okay«, sagte ich vorsichtig. »Ich werd’s mir merken.«
Diese Frau war eindeutig ein Fall für die Klapsmühle. Wenn sie so darauf bedacht war, die Gefühle ihres arbeitslosen Ehemannes nicht zu verletzen, warum wollte sie dann ausgerechnet jetzt seine Treue auf die Probe stellen? Nicht gerade gutes Timing, oder?
Wir besprachen noch einige letzte Details, dann kam ich wie üblich auf mein Honorar und meinen Spesenvorschuss
zu sprechen, worauf sie sich mit einem eifrigen Nicken erhob und zu einem dunklen Sekretär in der Ecke ging.
Wieder zog sie eine ansonsten leere Schublade auf und entnahm ihr einen großen weißen Umschlag mit einem dicken Bündel Hundert-Dollar-Noten. »Ich nehme an, Bargeld ist für Sie in Ordnung?«, fragte sie, während sie die vereinbarte Summe abzählte.
Ich beobachtete sie mit weit aufgerissenen Augen.
Sie sah zu mir herüber. »Oder doch nicht?«
Ich nickte, unfähig, ein Wort zu sagen. Ich erhielt also das Dreifache des üblichen Honorars – in bar! Und das Geld kam aus einer praktisch leeren Schublade in einem praktisch leeren Haus.
Ich akzeptiere ausschließlich zwei Arten von Zahlungsmitteln: Bargeld und Barschecks. Die meisten meiner Klienten entscheiden sich für die sichere, saubere Variante, die weniger
Weitere Kostenlose Bücher