Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files
uns herrschte, nicht bemerken. Kramte in meiner Tasche nach einem Fünfer Trinkgeld.
Als ich die Stille nicht länger ertrug, beschloss ich, das Eis zu brechen. »Wann lerne ich ihn denn nun endlich kennen, diesen sympathischen jüdischen Arzt?«, sagte ich im breitesten New Yorker Akzent. Seit der Grundschule machen wir uns einen Jux daraus, Sophies herrische Großmutter nachzumachen.
Im Normalfall hätte sie jetzt hysterisch losgegackert angesichts meiner stümperhaften Nachahmung des jüdischen Akzents oder selbst eine ihrer Großmutter-Imitationen zum Besten gegeben.
Stattdessen platzte sie heraus: »Ich muss noch etwas mit dir besprechen.«
Da war sie wieder. Die Panik. Die Paranoia. Die Sophie, die ich kannte und liebte, war zurückgekehrt. Der Kurztrip auf die Insel der frisch verlobten sorglosen Seligkeit hatte gerade mal so lange gedauert wie unser Brunch.
»Was denn?«
Sie zog mich ein paar Schritte von der Gehsteigkante weg und sah sich ängstlich nach allen Seiten um, als fürchtete sie, überwacht oder belauscht zu werden. »Also, es ist etwas … unkonventionell«, sagte sie vorsichtig. »Bitte reg dich nicht gleich auf, wenn ich es dir erzähle. Ich denke schon seit einer Weile darüber nach, insbesondere seit Erics Antrag gestern
Abend. Ich habe eine Entscheidung getroffen, und zu der stehe ich.«
Ich runzelte die Stirn. »Wovon zum Teufel redest du? Gehst du etwa zur CIA?«
Sophie warf erneut misstrauische Blicke nach rechts und links. »Nein, aber du weißt doch, wie paranoid ich bin... in Bezug auf Eric und so.«
Ich seufzte. »Ja. Aber jetzt seid ihr verlobt. Er wird zu dir ziehen, sobald sein Vertrag als Assistenzarzt ausläuft. Ich denke, seine Absichten sind glasklar.«
Die Worte gingen mir ganz automatisch von der Zunge, wie perfekt einstudiert, mit tadelloser Betonung und unbestreitbarer Aufrichtigkeit, und doch fand ich es selbst zum ersten Mal schwierig, ihnen Glauben zu schenken.
»Das macht die ganze Sache nur umso bedeutender.«
»Sophie, du sprichst in Rätseln. Ich weiß nicht, worauf du hinaus willst.«
Sie senkte verlegen den Blick und fischte einen zusammengefalteten weißen Zettel aus der Handtasche.
»Ich habe neulich mit einer Arbeitskollegin gesprochen … über meine Zweifel wegen Eric«, gestand sie widerstrebend.
Ich nickte.
»Und sie hat mir erzählt, dass eine enge Freundin von ihr jemanden engagiert hat. Eine... Spezialistin.« Sie faltete den Zettel auseinander.
Mir stockte jäh das Blut in den Adern. Eine Gänsehaut überzog jeden Zentimeter meines Körpers. Ein Glück, dass ich Jeans und einen langärmeligen Pullover anhatte, sonst wäre Sophie mein Schaudern nicht verborgen geblieben.
»Was denn für eine Spezialistin?«, fragte ich schwach, obwohl ich die Antwort bereits ahnte.
Oh, ja. Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, worauf diese Frau spezialisiert war.
Sophie holte tief Luft und sah zerknirscht zu mir hoch, als wollte sie mich schon im Voraus um Verständnis anflehen, als wüsste sie, dass ich enttäuscht von ihr sein würde, weil sie jetzt endgültig unter dem Druck ihrer Unsicherheit zusammengebrochen war. »Eine sogenannte Treuetesterin.«
Ich schloss die Augen und nickte gequält. Die vertraute Berufsbezeichnung kam mir plötzlich... gar nicht mehr vertraut vor. Im Gegenteil.
Sie kam mir kalt vor. Eiskalt.
Als ich die Augen wieder aufschlug, hielt mir Sophie den Zettel hin. Der Parkservice hatte in der Zwischenzeit meinen Range Rover gebracht und winkte, um meine Aufmerksamkeit zu erregen, doch ich registrierte es kaum. Wie in Trance starrte ich auf den Zettel, auf die Zahlen und Buchstaben, die mich förmlich anzuspringen schienen, um sich direkt in mein Zentralnervensystem zu bohren.
Im Grunde war es fast zum Lachen. Die reinste Ironie. Ich hatte es noch nie mit eigenen Augen gesehen, obwohl ich wusste, dass solche Zettel in der ganzen Stadt, ja, sogar im ganzen Land kursierten. Und jetzt bekam ich zum ersten Mal höchstpersönlich einen zu Gesicht.
Ashlyn
310-555-2120
7
Intervention
»Jen!« Sophies Stimme riss mich aus meinem Traum. Jedenfalls hoffte ich inständig, dass es nur ein Traum war.
Zum dritten Mal sah ich blinzelnd auf den Zettel in meiner Hand. Es war kein Traum. Da stand mein Codename, schwarz auf weiß. Und darunter meine geschäftliche Telefonnummer. Die Geister, die ich rief. Von der eigenen Marketingstrategie ausgetrickst. Das Ganze war so surreal, dass ich mir gar nicht erst die Mühe machte, es
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