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Tricks

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Titel: Tricks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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dornigen Büschen mit hellgrünen Blättchen und vereinzelten welken rosa Blüten. Sie ließen keinen Luftzug durch, sie spendeten keinen Schatten, und die Zweige griffen nach seinen Hemdsärmeln.
    »Wilde Rosen«, sagte Nancy, als er fragte, was das für Teufelskrallen waren.
    »Das soll wohl die Überraschung sein?«
    »Wart's ab.«
    Er litt unter der Bruthitze in diesem Tunnel, und er wünschte, sie würde langsamer gehen. Es überraschte ihn oft, wie viel Zeit er mit diesem Mädchen verbrachte, das in keiner Hinsicht außergewöhnlich war, es sei denn darin, verwöhnt, frech und egoistisch zu sein. Vielleicht fand er Gefallen daran, sie durcheinander zu bringen. Sie war ein wenig aufgeweckter als die meisten Mädchen, gerade genug, um ihm das zu ermöglichen.
    In der Ferne sah er jetzt das Dach eines Hauses, mit richtigen Bäumen, die Schatten spendeten, und da keine Hoffnung bestand, Nancy weitere Informationen zu entlocken, gab er sich mit der Hoffnung zufrieden, sich dort an einem kühlen Platz hinsetzen zu können.
    »Besuch«, sagte Nancy. »Hätt' ich mir denken können.«
    Ein verdreckter Model-T-Ford stand auf dem Wendeplatz am Ende des Weges.
    »Jedenfalls ist es nur ein Wagen«, sagte sie. »Wollen hoffen, dass die bald gehen.«
    Aber als sie bei dem Automobil anlangten, war niemand aus dem soliden, anderthalbgeschossigen Haus – erbaut aus Ziegelsteinen, die in diesem Teil des Landes »weiß« genannt wurden und da, wo Ollie herkam, »gelb« – herausgekommen, um damit wegzufahren. (Die Farbe war eigentlich ein schmutziges Gelbbraun.) Es gab keine Hecke – nur einen schiefen Zaun um den Garten, in dem das Gras nicht gemäht worden war. Und kein zementierter Gehsteig führte von der Gartenpforte zur Haustür, nur ein Sandweg. Außerhalb der Stadt war das nichts Ungewöhnliches – nur wenige Farmer legten einen Gehweg an oder besaßen einen Rasenmäher.
    Vielleicht hatte es früher einmal Blumenbeete gegeben – zumindest lugten aus dem hohen Gras hier und da weiße und goldgelbe Blumen hervor. Das waren Maßliebchen, dessen war er sich ziemlich sicher, aber er brachte es nicht über sich, Nancy zu fragen und sich womöglich ihre spöttischen Verbesserungen anhören zu müssen.
    Nancy führte ihn zu einem echten Überbleibsel aus besseren oder müßigeren Tagen – einer nicht mit Farbe angestrichenen, aber vollständig erhaltenen hölzernen Schaukel mit zwei gegenüberliegenden Bänken. Das Gras ringsherum war nicht niedergetreten – offensichtlich wurde sie nicht oft benutzt. Sie stand im Schatten zweier dichtbelaubter Bäume. Nancy hatte sich kaum hingesetzt, da sprang sie schon wieder auf, stemmte sich zwischen den Bänken vor und zurück und setzte das quietschende Gerät in Bewegung.
    »Daran wird sie merken, dass wir hier sind«, sagte sie.
    »Wer?«
    »Tessa.«
    »Ist das eine Freundin von dir?«
    »Ja, natürlich.«
    »Eine alte Dame?«, fragte Ollie ohne Begeisterung. Er hatte reichlich Gelegenheit gehabt mit anzusehen, wie verschwenderisch Nancy mit dem umging, was man vielleicht – in einigen Mädchenbüchern, die sie unter Umständen gelesen und sich zu Herzen genommen hatte,
wurde
es wahrscheinlich so genannt – ihr sonniges Gemüt nennen konnte. Ihr unschuldiges Necken der alten Männer in der Mühle kam ihm in den Sinn.
    »Wir sind zusammen zur Schule gegangen, Tessa und ich.«
    Das rief ihm etwas anderes in Erinnerung – ihren Versuch, ihn mit Ginny zu verkuppeln.
    »Und was ist an ihr so interessant?«
    »Du wirst schon sehen. Oh!«
    Sie sprang mitten im Schaukeln herunter und lief zu einer Handpumpe dicht beim Haus. Viel energisches Pumpen setzte ein. Sie musste lange und kräftig pumpen, bevor Wasser kam. Und selbst dann schien sie nicht müde zu werden, sie pumpte noch eine Weile lang weiter, bevor sie den Blechbecher füllte, der an seinem Haken gewartet hatte, und ihn überschwappend zur Schaukel trug. Ihr eifriger Gesichtsausdruck brachte ihn auf den Gedanken, dass sie ihm den Becher sofort anbieten würde, tatsächlich aber setzte sie ihn an die eigenen Lippen und trank glücklich.
    »Das ist kein Stadtwasser«, sagte sie und reichte ihm den Becher. »Das ist Brunnenwasser. Es ist köstlich.«
    Sie war ein Mädchen, das unbehandeltes Wasser aus irgendeinem alten Blechbecher trank, der über einem Brunnen hing. (Durch die Unbilden, die seinen eigenen Körper getroffen hatten, besaß er ein ausgeprägteres Bewusstsein für solche Risiken als andere junge Männer.) Sie gab

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