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Tricks

Tricks

Titel: Tricks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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erschien.
    Sara und Juliet, die zusammen Sahnebonbons machten und Zierbänder in ihre Petticoats einzogen, die beiden Unzertrennlichen. Und dann, von einem Tag auf den anderen, hatte Juliet keine Lust mehr dazu gehabt. Stattdessen wollte sie spät abends in der Küche mit Sam reden, ihn ausfragen über schwarze Löcher und die Eiszeit und Gott. Sie hasste es, wenn Sara diese Zwiegespräche mit großäugigen, naiven Fragen torpedierte, wenn sie immer wieder versuchte, sich selbst in den Mittelpunkt zu rücken. Deshalb mussten diese Gespräche spät abends stattfinden, deshalb war eine Übereinkunft notwendig, die beide mit keinem Wort erwähnten.
Warten wir, bis wir Sara los sind
. Natürlich nur zeitweise.
    Damit einher ging eine Ermahnung.
Sei nett zu Sara. Sie hat ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um dich zu bekommen, das darf man nie vergessen
.
    »Daddy macht es nichts aus, sich mit Leuten zu streiten, die
über
ihm stehen«, sagte Sara und holte tief Luft. »Aber du weißt ja, wie er mit Leuten umgeht, die
unter
ihm stehen. Dann tut er alles, um sicherzugehen, dass sie ja nicht auf die Idee kommen, er sei anders als sie, er muss sich einfach auf ihr Niveau hinunterbegeben …«
    Juliet wusste das natürlich. Sie wusste, wie Sam mit dem Jungen an den Zapfsäulen redete, welche Witze er in der Eisenwarenhandlung riss. Aber sie sagte nichts.
    »Er muss ihnen in den Hintern kriechen«
, sagte Sara, plötzlich in anderem Ton, am Rande der Bosheit, leise kichernd.
    *
    Juliet reinigte den Kinderwagen und Penelope und sich selbst und machte sich auf den Weg in die Stadt. Sie hatte die Ausrede, dass sie ein ganz bestimmtes mildes, desinfizierendes Waschmittel für die Windeln brauchte – wenn sie ein normales Waschmittel benutzte, bekam das Baby Ausschlag. Aber sie hatte andere Gründe, unwiderstehliche, wenn auch peinliche.
    Das war der Weg, auf dem sie viele Jahre lang zur Schule gegangen war. Auch als sie schon aufs College ging und nur zu Besuchen nach Hause kam, war sie immer noch dasselbe – ein Mädchen, das zur Schule ging. Würde sie nie damit fertig sein, zur Schule zu gehen? Jemand fragte das Sam einmal, als sie gerade den landesweiten College-Preis für Lateinübersetzungen gewonnen hatte, und er hatte geantwortet: »Fürchte, nein.« Er erzählte die Geschichte ohne diesen Zusammenhang. Möge Gott ihn davor bewahren, irgendwelche Preise zu erwähnen. Das konnte man getrost Sara überlassen – auch wenn Sara vergessen haben mochte, wofür der Preis denn nun eigentlich war.
    Und nun war sie davon erlöst. Eine junge Frau wie viele andere, die ihr Baby schob. Und sich Gedanken über ein Windelwaschmittel machte. Außerdem war das nicht nur ihr Baby. Sondern ein Kind der Liebe. So sprach sie manchmal von Penelope, allerdings nur zu Eric. Er fasste es als Witz auf, und sie sagte es als Witz, denn sie lebten natürlich zusammen und taten das schon seit einiger Zeit und hatten das auch weiterhin vor. Die Tatsache, dass sie nicht verheiratet waren, bedeutete ihm nichts, jedenfalls soweit sie wusste, und sie selbst vergaß es oft. Aber gelegentlich – und besonders jetzt, hier zu Hause, war es gerade der Umstand, dass sie in wilder Ehe lebte, der sie in einen kurzen Erfolgsrausch versetzte, in einen albernen Glückstaumel.
    *
    »Du warst also heute im Städtchen«, sagte Sam. (Hatte er immer
Städtchen
gesagt? Sara und Juliet sagten
Stadt
.) »Jemand getroffen, den du kennst?«
    »Ich musste in den Drugstore«, sagte Juliet. »Also habe ich mit Charlie Klein geredet.«
    Diese Unterhaltung fand in der Küche statt, nach elf Uhr abends. Juliet hatte entschieden, dass das die beste Zeit war, um Penelopes Fläschchen für den nächsten Tag zurechtzumachen.
    »Klein-Charlie?«, sagte Sam – der immer diese Angewohnheit gehabt hatte, die ihr entfallen war, die Angewohnheit, Leute weiterhin bei ihren Spitznamen aus der Schulzeit zu nennen. »Hat er den Nachwuchs bewundert?«
    »Ja, natürlich.«
    »Das kann er auch.«
    Sam saß am Tisch, trank Whisky und rauchte eine Zigarette. Dass er Whisky trank, war neu. Weil Saras Vater Trinker gewesen war – kein versoffenes Wrack, er hatte weiter als Tierarzt praktiziert, aber im Haus genug Schrecken verbreitet, um seiner Tochter einen Abscheu vor jeglichem Alkoholgenuss einzuflößen–, hatte Sam zu Hause nie auch nur ein Bier getrunken, jedenfalls, soweit Juliet wusste.
    Juliet war in den Drugstore gegangen, weil das der einzige Ort war, wo sie das Windelwaschmittel kaufen

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