Trickser: Sammelband: Der Iril-Konflikt - Zwischen allen Fronten (German Edition)
Steinboden. Als sie zur hinteren Tür kamen, musste sich Gilescy nicht identifizieren. Wir werden überwacht, seit wir vor die Tür getreten sind, dachte Scyna. Die Sicherheitssysteme des Hauses wissen zu jeder Zeit, wo sich welche Person aufhält.
Hinter der Tür lag der Ausstellungsraum. Ein halbes Dutzend Raumschiffe stand – poliert und das Licht der Strahler widerspiegelnd – in dem weitläufigen Raum. Es waren die neuesten Modelle von interstellaren Personenraumern. Sie alle gehörten zu einer Preisklasse, die Arbeiter wie Scyna oder Blaine nur im Vorbeifliegen sahen und die beim Anflug auf eine Basis immer eine Sonderbehandlung bekamen, damit sie nicht zu lange auf einen Landeplatz warten mussten. Zu solchen Schiffen hatte Scyna immer mit Neid geblickt – und nun stand sie zwischen ihnen. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht die Hand auszustrecken und einen der Schiffsrümpfe zu berühren.
«Hübsch¬», meinte Karmel an ihrer Schulter, «sehr hübsch.»
Scyna fing sich, kehrte in ihre Rolle zurück und nickte. «Ja, wirklich nett.»
Gilescy hatte wohl eine positivere Reaktion erwartet – als er sprach, war seine Stimme deutlich kühler als auf der Fahrt hierher. «Nun, das sind die neuesten Modelle aus unserem Katalog. Ich habe recht gute Kontakte nach Merdia, deswegen bekomme ich die neuen Modelle sofort, wenn sie auf den Markt kommen. Hin und wieder erhalte ich sogar Raumer noch als Prototypen, damit meine Kunden sie Probe fliegen können.»
Scyna lächelte ihn an, wie man einen Mann mit Privilegien anlächeln sollte. «Wirklich?»
«Ja», sagte Gilescy, nun wieder ausgesprochen freundlich.
Karmel schob sich zwischen die beiden. «Können wir nun vielleicht das Schiff sehen, dessentwegen wir gekommen sind?»
«Sicher, hier entlang.»
Sie fuhren in den zweiten Stock hinauf. Dort umrundeten sie das Heck einer Fähre – und Scyna war verliebt.
Das Schiff hatte in der Projektion schon gut ausgesehen, aber es real zu sehen, warf sie völlig aus der Bahn. Sie bemerkte nicht, wie sie mit großen Augen stehen blieb und das Atmen vergaß, denn ihr Herz pochte schmerzhaft vor Freude.
Sie schätzte den Schiffsrumpf auf sechzig Meter Länge und die Tonnage auf zwei Kilotonnen. Die Yacht hatte eine sportliche Silhouette und war drei Decks hoch. Das Cockpitfenster hatte T-Form, war etwas zurückgesetzt und lag im unteren Bereich des anmutigen Bugs. Die wohlgeformten Flügel setzten in der Mitte an und waren gen achtern ausgerichtet; in sie waren die Triebwerke unauffällig integriert – typisch für axianische Schiffe. Zwischen den Triebwerksflügeln bildete die aufragende Heckgalerie ein Halbrund aus Glasal. Designelemente waren nur sparsam eingesetzt; konkave und konvexe Flächen, sanfte Rundungen und geschliffene Kanten erzeugten ein spannendes Wechselspiel aus Licht, Schatten und Farben.
Ein Knuff von Karmels unsichtbarem Prallfeld brachte Scyna wieder zur Besinnung. Es fiel ihr schwer, nicht gleich die Rampe in das Innere hinaufzustürmen und dieses Schiff zu befreien aus seinem unwürdigen Platz in diesem Hangar und der Zukunft als Spaßvehikel für gelangweilte Reiche.
Aber zuerst braucht sie eine neue Farbe, entschied Scyna. Das Rosa, in dem die Yacht lackiert war, brannte in den Augen.
«Das ist die ‹Rosenblatt›», sagte Gilescy und wies stolz wie ein Vater auf das Schiff.
Und einen neuen Namen braucht sie auch. Dieses Schiff hatte Potenzial. Vor ihrem geistigen Auge sah Scyna, wie sie in ihrer Lieblingswerkstatt auf Rok die notwendigen Umbauten vornehmen würde. Wahrscheinlich waren die Triebwerke gedrosselt und die Sensoren nicht für die Aufgaben eines Forschungsraumers gerüstet. Aber was Scyna am deutlichsten vor sich sah, war die Farbe, die dieses Schiff verdiente: ein kühles Eisblau.
Gilescy trat an sie heran. «Nun, es ist zwar eigentlich nicht Sitte unseres Unternehmens, aber wollen wir einen kleinen Rundgang durch das Schiff machen?»
«Sehr gerne», sagte Scyna voller Überzeugung.
Während sie die Rampe hinaufgingen, zwang sie sich, sich bei Gilescy unterzuhaken. Sie spürte seine Erregung, und als er ihr einen schnellen Blick zuwarf, erwiderte sie ihn mit gespielter Verheißung. Dieses Schiff war es wert, einen Merdianer zu verführen.
***
Nach dem Rundgang durch das Schiff brachten sie Gilescy mit ihrer Gleiter-Limousine zu seinem Büro zurück. Scyna versicherte ihm, sie werde sich mit ihrer Chefin baldmöglichst besprechen und ließ sich überreden,
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