Tricontium (German Edition)
verkündete er. »Wir haben unseren Teil getan.«
Honorius öffnete den Mund. Ob er vermittelnd eingreifen oder seine Zustimmung bekunden wollte, blieb offen, denn noch bevor er zum Sprechen kam, hielt er stirnrunzelnd inne und lauschte.
Von fern, aus Richtung der Straße, drang lautes Rufen zu ihnen herüber, das ihm schon ungewöhnlich genug erscheinen musste, Herrad aber fast erschreckte: »Gjuki! Gjuki! Gjuki!«
Auch wenn Wulf nicht losgelaufen wäre, ohne ihre Erlaubnis abzuwarten oder sich darum zu kümmern, dass er das ohnehin zweifelhafte Kräftegleichgewicht gehörig ins Wanken brachte, hätte die Richterin begriffen, dass dies kein unbedachtes Spiel eines Kindes war. Wulfin wirkte zu vernünftig und zu sehr mit Gefahren vertraut, als dass er seinen Vater und sich selbst aus einer Laune heraus verraten hätte, und wenngleich Gjuki sich offensichtlich aufgefordert fühlte, Ardeijas schützende Kleider zu verlassen, konnte sie sich nicht vorstellen, dass der Junge tatsächlich nur nach dem Drachen gerufen hatte. Dies war entweder ein vereinbartes Zeichen oder ein Hilfeschrei. Auf jeden Fall war etwas nicht so, wie es hätte sein sollen.
Glücklicherweise schien Honorius nicht daran zu denken, den kurzzeitigen Vorteil, den er so gewonnen hatte, zu einer raschen Flucht mit der Kriegskasse oder einem Teil ihres Inhalts zu nutzen. »Was war das?«, erkundigte er sich nur.
Herrad sah ein, dass »der Enkel meines Kochs« keine sehr befriedigende Antwort gewesen wäre. »Wartet!«, bat sie deshalb. »Es wird sich gleich klären.«
Dann war Wulf zurück, mit einem Gesicht, als wäre er auf dem Weg dem Teufel begegnet.
»Asgrim ist dort«, verkündete er, »mit vier Bewaffneten; einen fünften hat er zur Stadt geschickt, mit den beiden. Die Übrigen kommen hierher.«
Dem Fluch nach, den Honorius ausstieß, war er nicht mit dem Fürsten vom Brandhorst verbündet, doch auch wenn er willens war, Herrad in dieser Sache voll und ganz zu unterstützen, würden sie die Truhe wohl kaum ohne jeglichen Geleitschutz unter Asgrims Augen fortschaffen können. Es bot sich nur eine Lösung an.
»Wieder hinunter!«, befahl die Richterin, um dann an Wulf gewandt und nicht ohne ein halbwegs schlechtes Gewissen dafür, dass dies erst ihre zweite Sorge gewesen war, zu fragen: »Sie sind gefangen?«
Wulf hob die Schultern. »Wenn ja, dann nicht sehr; die kommen schon weg, wenn sie wollen. Das hier gibt größeren Ärger.«
Seine Vorhersage sollte sich als zutreffend erweisen. Vielleicht wäre alles gut gegangen, wenn sich nicht fast alle verfügbaren Hände zugleich in schlechter Abstimmung aufeinander bemüht hätten, Herrads Aufforderung nachzukommen, doch wahrscheinlich hätte sich in der Eile das Abrutschen der Truhe auch bei besserer Ordnung nicht verhindern lassen, auch nicht das Einbrechen des Grubenrands, das wiederum die Steinplatte ins Gleiten brachte, so dass binnen weniger Augenblicke Stein und Truhe aufs Beste ineinander verkeilt so auffällig in die Luft ragten, dass man das Unglück schwerlich hätte übersehen können. Der Lärm, den der Versuch, den Schatz zurück in sein Versteck zu befördern, verursacht hatte, musste ein Übriges getan haben, jeden im Umkreis einer halben Meile davon in Kenntnis zu setzen, dass es hier etwas zu sehen gab.
Ardeija murmelte etwas vom Einfluss böswilliger Geister, das Herrad zu überhören vorzog, ebenso wie das fortgesetzte Schimpfen ihres Amtsbruders, der über diese Wendung wohl ebenso erfreut war wie sie.
Malegis, der keinen Finger gerührt hatte, um den anderen zu helfen, als habe er von vornherein gewusst, dass ihre Bemühungen zum Scheitern verurteilt waren, lehnte sich gegen den Stamm einer Eiche, die einsam zwischen den Gräbern wuchs. »Begrüßt ihn – oder rennt!«, riet er und lächelte mit der Miene eines Mannes, der sich bereitmachte, als unbeteiligter Beobachter das Losbrechen des Pandämoniums über den Rest der Welt zu genießen.
»Ihr solltet lieber selbst schnell rennen, Magus, oder Ihr werdet es noch sehr bereuen, uns in diese Falle gelockt zu haben!«, gab Ardeija, das Schwert schon in der Hand, zurück und bedeutete Herrad zugleich, welchen Weg er durch das Gräberfeld einzuschlagen gedachte, wenn sich eine schnelle Flucht als notwendig erweisen sollte. Es würde das Sicherste sein, ihm einfach zu folgen; jemand, der hier schon zu jeder Tages- und Nachtzeit lichtscheues Gesindel gejagt hatte, wusste auch, wie man weniger ortskundigen Kriegern in der
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