Tricontium (German Edition)
Otachars Truhe befunden hatten. »Was in Tricontium war, habe ich dort gelassen, und was aus dem Geld des Markgrafen geworden ist, weiß ich nicht.«
Wieder nickte Ebbo, als habe er nicht mit einer anderen Antwort gerechnet. »Honorius wird auch nicht viel wissen«, vermutete er. »Wenn er den Schatz hätte, wäre er schon über alle Berge, verwundet oder nicht. Unsere Lage ist jedenfalls beklagenswert. Man kann eine Stadt nicht dauerhaft halten, wenn es an den nötigen Mitteln fehlt, und dass es sich sehr schlecht machen würde, wenn ich Geld aus Corvisium abziehen müsste, werdet Ihr verstehen. Und meine vom Grafenamt unabhängigen Einkünfte sind zu begrenzt für die Verwaltung einer Stadt wie Aquae Calicis.«
Herrad konnte sich nicht ganz vorstellen, wohin diese Rede führen sollte; den Gedanken an die Bitte um eine edelmütige Spende für das Wohl aller verwarf sie ebenso wie den an eine Lösegeldforderung. »Wenn Ihr länger durchhalten müsstet, würde ich Euch recht geben, doch wenn Ihr nach Salvinae schickt, wird es kaum länger als ein oder zwei Wochen dauern, bis der dortige Vogt Euch die Bürde abnehmen kann.«
Ebbo zeichnete das Blütenmuster auf dem Teppich nach. »Ich werde nicht nach Salvinae schicken«, verkündete er und ließ den Zeigefinger auf einer Rosenknospe ruhen, »nicht, um Hilfe zu erbitten. Ich war stets damit zufrieden, der Graf von Corvisium und nicht mehr zu sein, doch es wäre töricht, nun, da die Vogtei von Aquae verwaist ist, die Hand nicht danach auszustrecken. Soweit ich weiß, wird im Dezember, ein halbes Jahr nach Getas Amtsantritt, ein missus regius hier erwartet. Wenn die Lage in Padiacum unruhig bleibt, wird man vielleicht keine Gelegenheit finden, früher einen zu senden. Mir bleiben also ein paar Wochen Zeit, um mich hier zu bewähren. Ich wäre nicht der Erste, der auf diesem Wege zu einem Amt gelangt. Wenn eine Übergangsregelung sich als sinnvoll erweist, kann sie leicht dauerhaft werden.«
Herrad hob die Schultern.
Ebbo sah sie fast bittend an. »Ihr werdet mir nun gewiss unterstellen, nur aus Eigennutz zu handeln, um der Einnahmen aus den Steinbrüchen und aus den Flusshafenzöllen willen, oder weil hier das Leben gemeinhin etwas angenehmer ist als noch weiter oben im Norden. Doch damit würdet Ihr mich verkennen. Es ist seit dem letzten Krieg zu wenig an die tatsächlichen Notwendigkeiten gedacht worden, viel an die Ehre eines fernen Königs, und wenig daran, wie unsicher die Grenzen sind.«
Er hatte zuletzt mit wachsendem Eifer geredet und in Asgrims Miene lag unausgesprochene Zustimmung, die nicht geheuchelt wirkte.
Die Richterin lehnte sich zurück und war froh, Wulfilas Finger an ihrer Schulter zu spüren. »Ich ziehe gar nicht in Zweifel, dass all dies Euch bewegt, Herr Ebbo, doch selbst ein Zweck wie der, den Ihr benannt habt, heiligt nicht alle Mittel. Ich stimme Euch zu, dass die Tricontinische Mark gesichert werden muss, und dass Ihr dazu die besten Möglichkeiten habt, wenn Ihr der Vogt von Aquae seid. Was ich nicht ganz begreife, ist, weshalb Ihr dort jemanden einsetzen wollt, den Ihr nicht nur umständlich befreien müsst, sondern dem Ihr offensichtlich so wenig traut, dass Ihr ihn kurzzuhalten gedenkt. Ihr lasst die letzten Höfe der Gegend räumen und verwüsten, so dass niemand dort ohne Eure Unterstützung den Winter überstehen kann. Ferner wollt Ihr sein Geld dringend in die Hand bekommen. Warum also Aquila und keinen Verbündeten, dessen Ihr Euch wirklich sicher seid?«
Asgrim stieß sich von seiner Säule ab und tat einen unsicheren ersten Schritt in den Raum. »Auch das ist eine Notwendigkeit. Nennt ihn nicht Aquila; wir wissen doch alle, von wem wir reden. An kurzen Zügeln geführt ist er jemand, den wir dort jetzt brauchen können, der Einzige vielleicht. Wenn er aber auch nur so viel wie einen bewirtschafteten Hof hätte … Das würde nicht gut gehen.«
»Auch ein Otachar von Tricontium kann doch vielleicht dazulernen.« Wulfila hatte bis jetzt nicht von sich aus ins Gespräch eingegriffen, wie er auch sonst häufig abwartete, als sei ihm gut bewusst, dass er vor der Welt mit seinem unbescholtenen Ruf auch die Fähigkeit, etwas von Bedeutung zu sagen, eingebüßt hatte. Nun aber hatte er mit Überzeugung gesprochen und fuhr nicht weniger sicher fort: »Man hat ihn nach Mons Arbuini bringen können, unter welchem Zwang auch immer. Vor sieben Jahren wäre das noch nicht geschehen. Entweder ist er also vorsichtiger geworden oder er
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