Tricontium (German Edition)
wichtig. Aber gut genug, um zeichnen zu können? So, dass er ohne Schmerzen eine Feder halten kann?«
»Theodulf zeichnet?«, kam es erstaunt von Oshelm und auch Malegis wirkte, als hätten alle neugierigen Blicke in seinen kleinen Spiegel ihm diese Einzelheit bisher noch nicht gezeigt.
Ardeija fragte sich, ob er das Geheimnis überhaupt hätte verraten dürfen. »Schöne Bilder«, sagte er dennoch und wünschte sich kurz nichts sehnlicher, als dass die kleinen Greifen, Drachen und Wisente in Theodulfs Buch noch viele Geschwister bekommen würden. »Könnt Ihr es versuchen?«
Malegis fuhr sich durch den Bart und entfernte vorsichtig eine kleine Spinne, die anscheinend nicht neben all den mehr oder minder zauberkräftigen Schmuckstücken hängen sollte. »Ich komme morgen Abend vorbei, wenn ich es einrichten kann«, sagte er schließlich, während er das Tier auf den Stufen vor dem Praetorium absetzte, und dieses halbe Versprechen war besser als nichts.
32. Kapitel: Die Geister des Praetoriums
Otter hatte seine Mütze schräg aufgesetzt und war so ansteckend guter Laune, dass Herrad ihm allein schon deshalb verzieh, dass er die Kopfbedeckung wieder einmal nicht abgenommen hatte, als sie einander begrüßt hatten.
»Ich habe etwas für Euch«, sagte er vergnügt und ließ sich ungefragt auf der Kanzleitruhe nieder, »etwas ganz Feines und mehr als das, womit Ihr rechnet. Aber mit Richolf, dem Goldschmied, fangen wir an, nicht wahr? Den habe ich nur erwischt, weil jemand sein Schwesterchen hat wissen lassen, dass er sich lieber von Euch oder Euren Leuten finden lassen sollte. Er ist nämlich, wenn es nach ihm geht, eigentlich gar nicht in Aquae. Er hat Angst.«
»Sieh an.«
»Oh, nicht was Ihr jetzt denkt!« Otter lächelte, doch mit so zufriedener Bosheit, dass es schon eher einem Zähnefletschen glich. »Nicht vor Euch. Vor Ebbo und Asgrim.«
»Hat er Grund dazu?«
»Und wie!« Otter streckte behaglich die Beine aus. »Aber die beiden wissen wohl noch nicht, was er angestellt hat. Soll ich berichten?«
Er wartete kaum Herrads mit einer knappen Handbewegung erteilte Erlaubnis ab, bevor er genüsslich begann: »Kurz nachdem Herr Geta Vogt von Aquae geworden war, kam an einem Sommerabend Kundschaft zu Richolf, eine reich gekleidete Kriegerin mit einem Begleiter. Sie fragten nach fertigen Halsketten, aber das war nur ein Vorwand, denn als die letzten anderen Kunden aus der Werkstatt fort waren, teilten sie ihm mit, dass es in Wahrheit um einen größeren Auftrag gehen sollte, einen Grabschatz. Da das heutzutage ungewöhnlich geworden ist, wurde Richolf schon hellhörig, noch hellhöriger aber, als es hieß, es müsse alles etwas wertvoller aussehen, als es sei, und insgesamt nicht zu teuer werden … Aber er ist nun einmal Richolf, der vor allem fragt, was es zu verdienen gibt. Also nahm er den Auftrag an, der ihm bis auf eine Einzelheit viel Freiheit ließ. Er sollte Schwertgürtelbeschläge mit den heiligen drei Königen darauf anfertigen. Das kam ihm doppelt seltsam vor, da es gewöhnlich nicht unbedingt die Christen sind, die nach reichen Grabbeigaben verlangen, aber wie gesagt – er ist Richolf, und deshalb nahm er die Sache vorerst so hin. Dann aber geschah etwas, das selbst ihm verdächtig vorkam. Ihr kennt doch Rumold, den Waffenschmied?«
»Dem Namen nach. Ardeija sagt, er verstünde sich auf seine Arbeit.«
»Das tut er auch.« Otter nickte bekräftigend. »Gelegentlich hat er einen kleinen Auftrag für Richolf, für Vergoldungen, hübsche Nieten an Schwertscheiden, Beschläge und dergleichen mehr. Um etwas Derartiges zu besprechen, saßen sie einige Zeit, nachdem Richolf mit der Arbeit an den Grabbeigaben begonnen hatte, in Rumolds Haus zusammen, spät am Abend, als die Schmiede schon geschlossen war. Und dennoch kamen zwei Männer auf den Hof hinter der Schmiede, durch die kleine Pforte, die eigentlich nur vertraute Freunde oder sehr gute Kunden kennen. Richolf sahen sie nicht, da er im Haus blieb, als Rumold zu ihnen hinausging, und sie dachten wohl, der Schmied wäre allein, alter Sonderling, der er ist … Sie sagten ihm jedenfalls, niemand dürfe von ihrem Besuch erfahren, was Richolf natürlich die Ohren spitzen ließ, besonders, als er dann durchs Fenster spähte und sie erkannte. Asgrim und Ebbo, allein und ohne Gefolge … Das kommt nicht alle Tage vor, also sah Richolf weiter hin. Nicht genug damit, dass die beiden überhaupt da waren – sie hatten auch noch einen Schwertgriff mit
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