Trilogie des Tötens - X-Mas Edition - 3 Thriller (German Edition)
Netzhaut war Marusha draußen am Gang blind umhergetaumelt und direkt in Lola hineingelaufen.
„Pass auf, du blindes Huhn!“
Langsam konnte sie wieder klar sehen, das harte Gesicht von Lola setzte sich Stück für Stück zusammen: Die pechschwarzen Haare, die bleiche Stirn mit der senkrechten Einkerbung zwischen den Brauen, die blauen Augen, jetzt rotunterlaufen vom schmierigen Rauch, der von der Zigarette aufstieg, die Lola zwischen ihre blutrot geschminkten Lippen geklemmt hatte.
„Ach, Lola! Ich glaube ich habe meinen ersten Job. Der Kunde war zufrieden.“ Seufzend schmiegte sie sich an die Brust von Lola, die spontan einen Schritt zurücktrat, sich dann aber doch eines Besseren besann und Marusha zögernd durch das Haar strich.
„Schön für dich, Kleines“, nuschelte sie, ohne die Zigarette aus dem Mund zu nehmen.
Lola war das erste Mädchen gewesen, das Marusha bei Madonna Models in Bratislava kennen gelernt hatte. Lola, die gut zehn Jahre älter war als sie und die aus Österreich stammte. Lola, die so erfolgreich war, wie es Marusha auch werden würde. Lola, die durch Madonna Models groß geworden war, das hatte jedenfalls Sherban gesagt und Lola hatte nachsichtig gelächelt und sich mit der bis zum Filter abgerauchten Zigarette die nächste angezündet. Aber Lola war mit ihren 26 Jahren schon alt und hatte vom vielen Rauchen eine schlechte Haut. Lola färbte sich die Haare zu pechschwarz, doch diese Kritik behielt Marusha für sich, darüber sprach sie mit niemandem, aber sie hatte sich zum Ziel gesetzt, Lolas Platz einzunehmen.
„Ich habe mein erstes Casting gewonnen!“, rief sie erneut, klatschte fröhlich in die Hände und vollführte vor der amüsiert die Augenbrauen hochziehenden Lola einen Freudentanz. Sie fasste Lola an den Händen, um einen improvisierten Pas de deux in dem düsteren Gang aufzuführen, einen Tanz aus Sternenstaub und Rauch, einen Tanz aus Illusion und Hoffnung, aus Verzweiflung und Abgebrühtheit – so jedenfalls fand es Lola, die endlich die Kippe aus dem Mund nahm, der Filter blutrot vom Lippenstift wie bei einer Lungenkranken, und die überdrehte Marusha stoppte.
„Krieg dich wieder ein, Kleines!“
Folgsam wie ein abgerichtetes Hündchen verharrte Marusha mitten in der Bewegung und ihre großen, erstaunten Augen färbten sich von Grau zu Lila. Sie durfte nicht übertreiben, noch sah sie in Lola eine Verbündete für ihre Zukunft, die große Schwester, die sie beruhigte, fest an sich drückte, wenn sie glaubte, einsam und verloren zu sein, so alleine, wie sie sich fühlte, wenn sie zwischen Mitternacht und Morgen wach in ihrem Bett lag und ängstlich auf kläffende Hunde, fauchende Katzen und andere geheimnisvolle Geräusche lauschte.
„Tut mir leid, Lola! Tut mir leid! Ich freue mich nur so! Ich gebe mein Bestes, das habe ich auch Sherban gesagt. Ich gebe immer mein Bestes!“
Lola zündete sich eine weitere Zigarette an, paffte ihr rücksichtslos mitten ins Gesicht und verzog den grell geschminkten Mund zu einem mitleidigen Grinsen.
„Als ich so alt war wie du, ging es mir genauso! Aber jetzt, jetzt sehe ich die Dinge ein wenig nüchterner.“ Angewidert zuckte sie mit den Schultern, blies hektisch den Rauch aus ihren Nasenlöchern wie ein Rennpferd, kurz vor dem Start.
„Weißt du, Kleines, ich habe eine Mission.“ Ihr Gesicht verhärtete sich noch mehr, die Adern an ihren Schläfen traten deutlich hervor und zwei scharfe Einkerbungen liefen wie tektonische Risse von den Nasenflügeln nach unten, als Lola verächtlich den Mund verzog.
„Ich brauche das alles nicht mehr! Ich habe genug von den Erniedrigungen und Beleidigungen, von Sherbans Versprechen! Ich habe eine Mission!“
„Was für eine Mission?“
„Das geht dich nichts an, Kleines! Das wirst du
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