Trilogie des Tötens - X-Mas Edition - 3 Thriller (German Edition)
sieben verschwundenen Mädchen erzählt. Was soll das jetzt?“
Braun hatte natürlich Recht. Früher hätte sich Kim voller Elan in diese Story verbissen, doch jetzt hatte sie einfach keine Kraft mehr und auch keine Lust. Im schlimmsten Fall noch knapp zwei Monate zu leben! Das war ihre einzige Realität und nicht diese ganze deprimierende Scheiße, mit der Braun sie jetzt überschüttete.
„Braun, stopp! Das interessiert mich nicht! Mir geht es nicht gut! Verdammt, lassen Sie mich mit dieser Story doch einfach in Ruhe!“, fuhr sie daher jetzt auch mitten in sein hektisches Gerede und er schwieg verblüfft.
„Braun, hallo! Sind Sie noch dran?“, fragte Kim, als sie nichts mehr hörte.
„Ich dachte, Sie wollen mehr über das Schicksal dieser sieben verschwundenen Mädchen herausfinden? Herausfinden, was mit ihnen passiert ist. Sie vor dem Vergessen bewahren?“, hörte ihn Kim schließlich mehr zu sich selbst murmeln.
Vor dem Vergessen bewahren. Das war der Punkt. Nein, wenn die Geschichte stimmte, dann durften diese Mädchen nicht vergessen werden. Man musste sie vor dem Vergessen bewahren. Kim musste das tun. Zusammengesunken kauerte Kim auf der Bank in der Busstation.
Und wer bewahrt mich vor dem Vergessen, wenn ich tot bin?, dachte sie und ließ ihren Tränen wieder freien Lauf.
„Okay, Braun“, schniefte sie nach einiger Zeit ins Telefon. „Okay, Sie haben ja Recht. Treffen wir uns, aber nicht heute. Vielleicht erreiche ich meine Informantin. Dann melde ich mich!“
Kim stand auf und machte sich auf die Suche nach einem Taxi, was bei diesem Wetter ziemlich schwierig war.
33. Für Reue ist es jetzt zu spät
Um sich zu bestrafen, hatte Cordula Wagner, die Frau des Polizeipräsidenten, vor zehn Jahren aufgehört zu rauchen. Jetzt stand sie am bodentiefen Fenster ihres Wohnzimmers und blickte hinunter auf den Wasserfall, der sich unter ihrem auf dem steilen Hang weit vorspringenden Haus in ein Wasserbecken ergoss und von dort weiter auf die nächste Terrasse und in das nächste Becken, es war ein ständiges Fließen bis an das Ende ihres weitläufigen Grundstückes. Von ihrem Standort aus hatte man den Eindruck, als würde der Wasserfall wie ein silbernes Band mitten in die Stadt Linz hinunterstürzen.
In der Hand hielt Cordula Wagner eine Zigarette, die in den vergangenen zehn Jahren so ausgetrocknet war, dass der Tabak knisterte und das Papier schon ganz brüchig war. Als das goldene Feuerzeug endlich funktionierte, stieg eine Stichflamme aus der Zigarette und Cordula musste husten. Hinter sich hörte sie ein Geräusch, jemand hatte die Wohnhalle betreten, doch sie drehte sich nicht um.
„Du rauchst wieder?“, hörte sie die Stimme ihrer Zwillingsschwester. „Oh, oh, da muss ja etwas Schlimmes passiert sein.“
Cordula beobachtete einen großen schwarzen Wagen, der sich unten am Fuß des Pöstlingbergs langsam aus dem dichten Nebel schälte.
„Brigitta ist tot“, sagte sie schließlich gegen die Glasscheibe, drückte den Rücken durch und wunderte sich, dass sie keinen Stich im Herzen bekam, auch keine feuchten Augen. Es war entsetzlich, aber sie konnte nicht anders. Sie musste die Fassade aufrechterhalten und dazu gehörte auch die Kälte. Alles, was sie noch spürte, war das Nikotin, das in ihr Gehirn schoss und die zehn Jahre der rauchfreien Askese sofort auslöschte.
„Sie ist die junge Frau, die man ermordet in dem Koffer gefunden hat“, sagte sie rau, nach dem ersten Lungenzug seit zehn Jahren.
„Du meine Güte, wie theatralisch! Aber so war unsere Brigitta doch schon immer. So düster und morbid.“ Ihre Zwillingsschwester war genauso wie sie, beide waren sie seelische Krüppel, jede auf ihre Art. Sie musste wieder an ihren Vater denken, der als Showmaster zu Hause ein strenges
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