Trilogie des Tötens - X-Mas Edition - 3 Thriller (German Edition)
auf den Computer und betrachtete nachdenklich die Verletzung an ihrem Hals. Vor allem aber starrte er auf das Gesicht der toten Yurika Mekas, das er auch fotografiert hatte, das er in seine Bildschirm-Slideshow integrieren würde, dieses Gesicht, das als ständige Mahnung, als Aufforderung, als Zielsetzung über seinen Bildschirm huschen würde, unwirklich, aber trotzdem von einer brutalen Realität.
Er drehte sich zu Gruber, deutete auf seinen Bildschirm, wo das Bild von Yurika Mekas’ Gesicht formatfüllend zu sehen war.
„Das ist es, was ich heute gemeint habe, Gruber. Von wegen Menschenrechte! Was für Rechte hatte sie denn? Keine! Nichts! Sie ist tot! Tot durch Abschaum wie Üzkül oder Drakovic! Ich habe das alles so satt!“, sagte er und klickte das Foto weg.
Dann schickte er die Fotos an Hajeks private Mail-Adresse, drehte sich in seinem Stuhl zum Fenster und starrte auf die Wohnblocks gegenüber. In seinem Schrank, gut verborgen hinter seinen Laufsachen, hatte er noch ein Sixpack chilenisches Bier, das ungeöffnet in einer Weihnachtsverpackung vom letzten Jahr langsam vor sich hinstaubte. Seit seiner Scheidung und dem erbitterten Streit um das Sorgerecht für seinen Sohn bemühte er sich, im Dienst nicht zu trinken. Aber jetzt war ihm nach einem kräftigen Schluck. Doch statt sich in seinem Büro volllaufen zu lassen und ständig die Slideshow auf seinem Bildschirm zu betrachten und über sein Leben nachzudenken, griff er nach seinen Laufsachen, stopfte alles in eine Tasche und machte sich auf den Weg.
Braun hatte sich wieder einmal viel vorgenommen. Zu Beginn hoch motiviert, rannte er durch das dichte Unterholz, sprang über verfaulte Äste, landete in schmutzigen Wasserpfützen, erreichte keuchend und verschwitzt nach knapp zwei Kilometern schließlich das Kraftwerk. Daneben, auf einem Parkplatz, leuchtete eine Imbissbude verheißungsvoll in der Dämmerung. Ein Bier für unterwegs kann nicht schaden, dachte er und fiel sofort vom Laufen in einen leichten Trab, dann in ein gemütliches Gehen.
Nach dem zweiten Bier hatte er die Selbstvorwürfe wegen des abgebrochenen Lauftrainings bereits hinuntergespült und betrachtete entspannt die Kreuzfahrtschiffe auf der Donau, mit denen die Touristen vom Schwarzen Meer bis nach Budapest und wieder zurück gebracht wurden.
Das Laufen hatte in letzter Zeit für ihn sehr an Reiz verloren. Das lag zum einen an seinem übertriebenen Bierkonsum, zum anderen daran, dass ihm Stefan Szabo als ständiger Laufpartner fehlte. Szabos Energie hatte ihn immer angespornt, sich völlig zu verausgaben und bis ans Limit zu gehen, obwohl er gegen ihn kaum eine Chance hatte. Aber jetzt war Szabo oft mit seinen internationalen Projekten beschäftigt und Tony Braun blieb lieber beim Bier.
Nachdem er auf dem Rückmarsch zu seinem Wagen noch zwei Dosen gekippt hatte, fuhr er nach Hause, wo ihn verdreckte Zimmer erwarteten, sonst nichts. Er wählte die Nummer von Szabo, von dem er schon seit Tagen nichts mehr gehört hatte. Doch dessen Telefon war ausgeschaltet.
Verdammt, er brauchte jemanden zum Reden, jemanden, der ihn abends erwartete, mit dem er lachen konnte oder wenigstens streiten. Er scrollte durch die Anrufliste, verharrte bei Anna Langes Nummer, zögerte, dann riss er sich zusammen, wählte, aber da kam sofort die Mailbox.
„Ich bin’s, Tony Braun“, stotterte er, „es geht nur um das Protokoll. Du weißt schon, wegen Yurika Mekas. Ich melde mich wieder.“
Schnell trennte er die Verbindung, schlug sich mit der flachen Hand auf seine Stirn. Du Arschloch! Du verdammtes Arschloch! Nicht einmal das kannst du!, schimpfte er, holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank und kickte seine derben Stiefel achtlos in eine Ecke. Wieder ein Abend
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