Trinity (German Edition)
Mühe, ihre Mützen festzuhalten. Die Lautsprecher der Sprechanlage plärrten pausenlos, riefen ständig irgendwelche Leute aus.
Elizabeth trug ihre Reisetaschen zum Verwaltungsgebäude. Es war ein angenehmes Gefühl, endlich einmal nicht General Groves neben sich zu haben. Vielleicht würde sie sogar einmal nicht von Zigarrenrauch verseuchte Luft atmen können. Die, mit Groves verbrachte Zeit schien ihr eine Million Jahre zurückzuliegen – ebenso weit entfernt wie ihr früheres Leben in ihrer ursprünglichen Zeitlinie.
Abgesehen von der üblichen Hektik fiel ihr auf, dass eine ungewöhnlich große Anzahl von Fahrzeugen herumstand – Lkws, Jeeps und Personenwagen auf jedem nur denkbaren Parkplatz, auch hinter den Wohnheimen und entlang des Stacheldrahtzauns des Technikbereichs.
Sie beschloss, Feynmans Büro einen kurzen Besuch abzustatten, ehe sie das Wohnheim aufsuchte. Sie hatte die Zusammenarbeit mit ihm, seine Witze und sein munteres Lachen vermisst. Von ihm würde sie sicherlich erfahren, was die ganze Unruhe im Lager verursacht hatte – schließlich wollte sie nichts verpassen. Groves hatte ihr gesagt, dass die Erprobung des Implosionsgerätes angesetzt war. Der Trinity-Test. Die Theoretiker hatten sogar noch mehr Überstunden gemacht, und Hanford hatte gerade genug Plutonium geschickt, dass es für den Kern der Bombe reichte. Da war irgendein nagender Gedanke in ihrem Unterbewusstsein, der ihr einreden wollte, dass das nicht stimmte. Hatte denn die Explosion nicht nächstes Jahr stattgefunden? 1945? Aber wie auch immer … es würde alles bald zu Ende sein.
Und dann würde es erst richtig anfangen. Und sie hatte keine Ahnung mehr, was geschehen würde.
Wohin sie auch ging, sah sie die übernächtigten Gesichter der Wissenschaftler mit rotgeränderten, aber irgendwie begeistert blickenden Augen. Man hatte den Eindruck, als wären die Nerven aller zum Zerreißen gespannt, als würde der kleinste Anlass ausreichen, sie losbrüllen zu lassen, aber alle sahen auch so aus, als würden sie eine wichtige Last tragen.
Aber was war, wenn Deutschland bald kapitulierte?, fragte sie sich. Wenn Dewey sich weigerte, das Projekt weiterhin zu finanzieren? Bis Roosevelt die Zügel der Präsidentschaft überreichte, waren es nur noch zwei Monate. Seit dem Angriff auf New York war jede Vorhersage der Zukunft, die sie machte, genauso viel wert wie die eines jeden anderen.
Elizabeths Schritte wurden schneller, sie strebte zum Technikbereich Nummer eins, ihrem alten Arbeitsplatz. Feynman war weit und breit nicht zu sehen. Sein Büro bot den üblichen chaotischen Anblick, und auch ihr Schreibtisch war mit Papier übersät, gerade als hätte Feynman ihr Zimmer als Ablageplatz für seine Notizen benutzt. Sie kritzelte ein paar Zeilen, heftete sie an seine Stuhllehne und ging dann weiter zur Abteilung für angewandte Mathematik.
John von Neumanns Kalkulationsgruppe arbeitete fieberhaft, versuchte, mehrere Berechnungen gleichzeitig durchzuführen und überprüfte noch einmal die Parameter des bevorstehenden Tests. Der Physiker, der die Anfangswerte verteilte, hatte keinen der leitenden Wissenschaftler gesehen. Einige der im Raum versammelten jungen Damen blickten auf – Gladys Soundso warf ihr einen finsteren Blick zu – aber Elizabeth ging wieder.
Ihr Weg führte sie zurück zum Verwaltungsbau. Während der Reise mit Groves hatte sie sich immer im Zentrum des Geschehens befunden und kam sich deshalb jetzt irgendwie vernachlässigt vor. Irgendeine Nachricht hätten sie mir ja hinterlassen können. Aber dann versuchte sie sich klarzumachen, dass das Projekt sich ja schließlich nicht um sie drehte. Sie hatte ihren Dienst geleistet, als man sie gebraucht hatte. Aber das verlieh ihr noch lange nicht das Anrecht auf besondere Informationen über das weitere Geschehen.
Trotzdem kam sie sich überflüssig und irgendwie ausgeschlossen vor.
Sie hob ihre Reisetaschen auf und ging auf das Frauenwohnheim zu. Die trockene Herbstluft lag heiß über Los Alamos. Sie erinnerte sich an den ersten Wolkenbruch und den Schlamm, der damals sämtliche Straßen bedeckt hatte. Ihre Umgebung wirkte heute nicht zivilisierter als damals. Trotzdem hatte sie das Gefühl, jetzt hier zu Hause zu sein.
Elizabeth schleppte ihr Gepäck am Straßenrand. Ein Jeep brauste vorbei und hielt dann an. Der Fahrer drehte sich um, ließ dann den Motor aufheulen und schoss im Rückwärtsgang auf sie zu. »Soll ich Sie mitnehmen, Ma'am?«
»Ja, gern.« Elizabeth
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