Trips & Träume
Scheinwerferlicht, das mich blendete, erkannte ich vielleicht fünf Hände, die sich nach oben bewegten. Bei der Applausprobe brach ein schlimmes Pfeifkonzert aus.
Bei Tara Folk waren die Besucher schon versöhnlicher gestimmt. Vielleicht fünfzig Hände waren zu sehen, es wurde freundlich geklatscht.
Stiebel Eltron hatten ihren kompletten Fankreis samt Freundinnen und deren Anhang mitgebracht. Doppelt so viele Hände wie zuvor. Bei der Applausprobe waren vereinzelte »Bravo!«-Rufe zu hören.
Als Don Dreamlight aufrief, blieb mir fast das Herz stehen. Am Boxengang herrschte mit einem Mal richtiges Gedränge. Ich sah Karen und Miti, für einen kurzen Augenblick auch Mark. Alle Musiker hatten sich dort versammelt, genauso nervös und aufgeregt wie ich.
Ich glaubte nahezu jede Hand oben zu sehen. Ich blinzelte in den Schweinwerfer. Kein Zweifel. Bis in die hinteren Reihen streckten die Leute die Hände in die Höhe. Unglaublich!
Dann brach ein ohrenbetäubender Jubel aus. Der Applaus und die begeisterten Rufe hielten bestimmt drei Minuten an.
»Jetzt sind Fra Mauro dran. Ich will eure Hände sehen«, rief Don ins Mikro.
Täuschte ich mich, war ich bekifft oder auf Trip? Nein, es waren ebenso viele Hände oben wie bei Dreamlight.
Verflixt, wenn das nicht ein Patt war.
»Ich will euren Applaus hören«, rief Don.
Begeistertes rhythmisches Klatschen, das zum Orkan anschwoll. Drei Minuten lang. Vielleicht sogar länger. Aber niemand schaute auf die Uhr. Die Freaks hatten wohl Spaß an dieser Art von Abstimmung gefunden.
Das war eindeutig ein Unentschieden. Was nun?
Vom Boxengang her hörte ich Getuschel. Karen stand neben Andi und hielt Händchen mit ihm. Was ging denn da ab?
»Wollt ihr zwei Gewinner?«, rief Don ins Mikrophon.
Ich hatte es mir sehnlichst erhofft. Zwei Gewinner, das wäre die einzig richtige Entscheidung gewesen. Aber das Publikum hatte anderes im Sinn.
»Wie-der-ho-lung! Wie-der-ho-lung!«, skandierte die erste Reihe vor der Bühne. Eine Welle der Zustimmung ging durch das Zelt. Plötzlich stimmten auch die Freaks auf den hinteren Plätzen mit ein.
»Wie-der-ho-lung! Wie-der-ho-lung!«
Don zuckte mit den Schultern und machte die Prozedur noch einmal.
Fra Mauro fuhren ein noch besseres Ergebnis ein als beim ersten Mal. Don schaute auf die Uhr. Fünfminütiger Applaus.
Als er zum letzten Mal an diesem Abend Dreamlight ins Mikrophon rief, waren alle Hände oben. Bitte nicht, dachte ich, nicht wieder Unentschieden.
Jetzt musste der Applaus entscheiden.
Ich bekam eine Gänsehaut. Ein Grollen ging durchs Zelt. Die Freaks schrien, pfiffen, klatschten und stampften mit den Füßen, dass ich befürchtete, die Dielen würden sich lösen.
Von der Phonstärke her schien die Entscheidung gefallen. Sie mussten nur lang genug durchhalten.
Skip, Gero und Paul standen nun neben mir und fielen ein in das rhythmische Klatschen. Karen und Miti, die gesamte Besetzung von Tara Folk und Stiebel Eltron waren auf der Bühne aufgetaucht. Auch Sonny, Moses und Rössel applaudierten jetzt. Ich stand da und schaute staunend zu. Dann stieg ich mit ein, klatschte und klatschte, bis mir die Hände schmerzten.
Reed Isberg schritt den Bühnenrand entlang und winkte mit dem Hut den Fans zu wie ein kleiner König, als gelte das alles einzig und allein ihm. Andi tauchte neben Karen auf. Er hatte sein Flickenjackett an und strich sich über den Schnurrbart. Doch, ja, er grinste und schien ganz entspannt zu sein.
Mark aber machte eine Miene, dir mir nicht gefiel.
Der Applaus galt ihm und seiner Band, doch er schien sich nicht wirklich freuen zu können. In diesem Moment wusste ich es.
Wir würden nie wieder die Freunde sein, die wir einmal waren.
Don winkte Moses heran. »Hast du die Zeit gemessen?«, fragte er.
»Die toben seit drei Minuten und dreißig Sekunden«, antwortete Moses.
Don wurde nervös. »Gib mir deine Uhr. Ich feuere die ein bisschen an.«
Er fuchtelte wild mit den Armen und brüllte: »Was ist, wollt ihr schon aufgeben? Da ist doch noch mehr drin.«
Noch einmal schwoll der Applaus an, die Freaks holten alles aus sich heraus, johlten, pfiffen, klatschten und trampelten.
Ich hechtete zu ihm hinüber. »Was soll das?«
Er tippte auf die Uhr. »Jetzt sind es fünf Minuten, dreißig Sekunden.«
Unverzüglich ging er auf Mark zu und zog ihn zum Bühnenrand. Wie ein Ringrichter beim Boxkampf riss er dessen Arm in die Höhe.
»Der Sieger des 1. Undergroundfestivals heißt:
Weitere Kostenlose Bücher