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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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hier neben mir hat dir etwas zu sagen.«
    Giacomo blickte erst zu Courvenal, dann auf Tristan und schien ratlos. Auch Tristan wusste nicht, wie er die Situation verstehen sollte. Eine kurze Zeit lang herrschte Schweigen.
    »Na los, sag’s ihm!«, drängte der Alte den neben ihm sitzenden Jungen, und da Tristan ihn nun ansah, bemerkte er, dass auch der lange leichte Mantel, den der Herr trug, von Goldfäden durchwirkt und an der Borte mit Edelsteinen geschmückt war: grün, blau und rot. Vor Verwunderung blieb ihm der Mund offen stehen, ehe er auf Italienisch zurückfragen konnte: »Was soll ich denn sagen?«
    »Na das mit dem Staub und den Steinen.«
    »In Eurer Sprache?«
    »Naturalmente- Giacomo versteht keine andere. Also los!«
    Da sagte Tristan, indem er seine früheren Worte wiederholte: »Der Staub muss weg. Was herumfliegt, kann man mit Wasser binden. Schüttet Wasser über die Steine, die behauen werden.« Und er setzte hinzu: »Damit man die Luft wieder atmen kann. So wie sie jetzt ist, muss man sie kauen.«
    »Wunderbar!«, rief der Herr aus. »Hast du das gehört, Giacomo? Du weißt, was du zu tun hast. Wenn ich heute Abend zur Messe gebracht werde, will ich kein einziges Körnchen Staub mehr in der Luft dieser Stadt sehen.«
    Ohne auf eine Antwort zu warten, schickte er Giacomo und den Uniformierten weg, erhob sich, strich Tristan über den Kopf und sagte an Courvenal gewandt auf Lateinisch: »Du weißt, Bruder, dass ihr beide hier so lange bleiben könnt, wie ihr wollt. Was ihr braucht, wird euch gebracht. Und pass mir auf den Jungen auf.«
    Der Herr drehte sich um und verschwand alsbald hinter einem der Portale, das wie von Geisterhand für ihn geöffnet wurde. Courvenal und Tristan sahen ihm nach, bis der Mönch mit leiser Stimme sagte: »Weißt du überhaupt, wer das war?«
    Tristan schüttelte den Kopf.
    »Seine Heiligkeit, der Papst, der mächtigste Mensch auf unserer Erde, der Vertreter Gottes.« Courvenal schien so beeindruckt, dass seine Stimme immer leiser wurde. Er nahm Tristan an der Hand, und sie gingen ins Haus, die breite Treppe hinauf zu ihrem kleinen Zimmer mit den beiden Betten. Doch dort waren bereits einige Novizinnen damit beschäftigt, ihre Kleider und Taschen herauszutragen. Auf deren Anweisung hin folgten sie den jungen Frauen und wurden in einen Saal geführt, in dem eine ganze Rotte Unterkunft hätte nehmen können. Es gab eine Feuerstelle, Tische und Stühle, zwei Betten, vor die man Vorhänge ziehen konnte, und drei Fenster aus buntem Glas. Als Courvenal eines davon öffnete, sah er auf den Platz hinaus und über die Häuser von Rom. Auf der Straße waren Wasserträger unterwegs, die mit ihren Holzeimern zu den Steinmetzen eilten. Die Luft war klar, sogar das Schlagen der Hämmer gedämpft. Er rief Tristan zu sich. »Dein Werk«, sagte der Mönch voller Bewunderung und legte seinen Arm um Tristans Schulter, was er sonst nie tat. ■
     
    Verfolgung ~ 143 ~ Verkleidung
     
    Um von Toulon, wo sie nur zwei Nächte verbrachten, nach Barcelona zu gelangen, mussten sie ein karges Gebirge überqueren. Die Pfade waren schmal, die Pferde mussten oft am Zügel geführt werden, und tagelang begegneten sie keinem einzigen Menschen. Wieder hatten sie Glück, dass ihnen niemand auflauerte. Doch erst als sie die Stadt am Meer erreichten, fühlte sich Courvenal sicher, und seine Sorgen um das Wohl des Jungen schwanden.
    Auch in dieser Stadt fanden sie Unterkunft in einem Kloster. Der Prior war durch Boten auf ihre Ankunft vorbereitet, sie wurden freundlich empfangen, die schützende Hand des römischen Papstes schwebte auch hier über ihnen. Sie wollten den ganzen Sommer bleiben, und es geschah zum ersten Mal auf ihrer langen Reise, dass Courvenal für Tristan keinen Lehrmeister in irgendeinem Fach verpflichtet hatte.
    »Was soll ich dann hier?«, fragte der Junge, als Courvenal ihm das mitteilte.
    »Es ist Sommer«, sagte der Mönch. »Die Klosterschule ist geschlossen, die Schüler sind auf dem Land, auf den Anwesen und Burgen ihrer Eltern. Die Kaufmannsleute schaffen Vorräte an, der Handel verläuft ruhig, aber gleichmäßig. Es gibt in diesem Jahr keine Auseinandersetzung mit den Mauretaniern, man lässt sich gegenseitig in Ruhe. Der König ist außer Landes, und wir - wir werden uns ausruhen.«
    »Und was soll ich lernen?«
    »Nichts zu tun.«
    Tristan war sprachlos. »Gibt es nicht einmal einen Sprachlehrer?«, fragte er nach einer Weile.
    »Nicht einmal das. Du kannst tun, was du

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