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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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- das kann ich verstehen: Meine Hühner legen vierzig Eier, und davon gebe ich die Hälfte meinem Fürst. Aber Zins auf Menschen? Wie abscheulich! Gurmûn ist auch gar nicht der Üble, es ist Morolt, sein Schwager. Den solltest du einmal sehen, Bruder! Er überragt alle um zwei Köpfe. Ein Maultier würde unter seinem Gewicht zusammenbrechen, und was ihm in die Hand gelegt wird, zerquetscht er in seiner Faust. Soviel ich weiß, hat er einen Anverwandten, vielleicht ist es sogar sein Bruder, der auf dem Festland lebt und dort eine Grafschaft besitzt. Der soll nicht viel anders sein. Grausam sind diese Menschen, bis man sie von hinten ersticht oder das Alter sie schwächt. Aber diese Heiden leben ja immer nur in der einen Gegenwart, in der die Gefahren auf uns lauern, und diese Gegenwart ist heute. Trinken wir darauf.« Er hob seinen Becher.
    Rual trank notgedrungen mit. Er tat alles, was Benedictus sagte, um nicht aufzufallen und ihn auszuhorchen über eine Möglichkeit, aus Irland zu entfliehen. Längst wusste er, dass Tristan, wenn er noch lebte, hier nicht sein konnte. Da er, seit ihm in Develin übel mitgespielt worden war, vorsichtig sein musste, hatte er nur einmal bei seiner Ankunft an Königin Isoldes Hof in Gegenwart von Benedictus den Namen Tristan erwähnt. Er hatte nicht einmal eine Frage nach dem Jungen gestellt.
    Benedictus war gleich aufgefahren: »Hast du auch schon davon gehört? Das ganze Land scheint darüber Bescheid zu wissen! Sogar den Pilgern erzählt man von diesem Kind, alle scheinen es zu fürchten, wie Herodes unseren Jesus fürchtete. Dabei wissen wir nicht einmal, ob es diesen bastardus überhaupt gibt. Und was ist nicht alles geschehen: Die Druiden haben die Steine geworfen, ein roter Stern ist erschienen, und die Königin fürchtet um ihr Leben. Selbst dem frommsten Mönch lässt sie die Zunge aus dem Hals schneiden, wenn er in ihrer Gegenwart diesen Namen erwähnt. Nenne ihn nie auch nur ein einziges Mal!«
    Rual hütete seine Zunge seitdem, fragte aber immer wieder danach, ob denn nicht irgendwann ein Schiff mit Ziel Hispania oder Asturien landen würde, das ihn mitnehmen könnte, um seinen Pilgerweg fortzusetzen. So wurde er Benedictus allmählich lästig. Er hielt diesen Bruder Paulus für einen dummen Menschen, ließ ihn die Latrine und den Stall säubern, was Rual geflissentlich tat. Und da der Pilger so sehr untergeben war, ärgerte es Benedictus nach einiger Zeit, dass er ihn aufgenommen hatte. Er war gut im Zuhören, und Publikum hatte Benedictus umso lieber, je weniger die Königin nach seinen Diensten verlangte.
    »Wer weiß, was ihr die druis wieder eingeredet haben!«, schimpfte er einmal, wollte allein mit seinen Büchern sein, »von denen du ja ohnehin nichts verstehst«, und schickte Rual hinunter zum Hafen, um dort nachzufragen, wann denn wieder Salz geliefert werde. Eine völlig unsinnige Aufgabe, wie Benedictus wusste. Er wollte diesen unnützen Pilger einfach los sein. Und Rual ging hinunter an die Bucht. Er hatte sonst nichts Besseres zu tun.
    Als er dem Weg zum Meer folgte, sah er, dass sich gerade ein Boot näherte und versuchte, aus der tosenden See in ruhigeres Wasser zu gelangen. Beinahe gleichzeitig kamen sie an ihrem Ziel an, Rual und das Schiff. Es wurde entladen. Viele Helfer waren unterwegs, schleppten Säcke und Truhen, und so gelang es ihm in dem Geschiebe und Gedränge, unbemerkt an Bord zu gelangen. Er schlich sich unter Deck und verbarg sich in einer dunklen Ecke bei den kurzen Spanten, die zum Bug hin verliefen, fand Tauwerk und Wollzeug, das er über sich aufschichtete, legte sich hin und verhielt sich still. Lange lag er wach, horchte auf jedes Geräusch, dann übermannte ihn schließlich der Schlaf.
    Keine Tritte, kein Geschrei weckten ihn, wie er es erwartet hatte, sondern das Rauschen des Wassers und das Knarren von Holz. Weil er glaubte, dass es Nacht war, und er auch keine Stimmen vernahm, kroch er in dem dunklen, engen Raum umher auf der Suche nach etwas Trinkbarem. Sein Durst wurde so unerträglich, dass er sogar an den Tauen sog. Als er tastend an ein kleines Fässchen geriet, gelang es ihm, den Pfropfen, den er erfühlt hatte, durch ständiges Kratzen und Drehen zu lockern. Flüssigkeit sickerte heraus, die er gierig aufleckte. Sofort musste er husten und sich die Hand und das Tuch seines Hemdes vor den Mund drücken, denn er war wohl an ein Fass mit Essig geraten. Seine Mundhöhle brannte, als würde sie in Flammen stehen, sein ganzer Leib

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