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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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verkrampfte sich wie bei jemandem, in den der Teufel gefahren war.
    Er musste wohl einigen Lärm verursacht haben. Zum ersten Mal kam jemand in den Laderaum und sagte ein paar Worte, die Rual nicht verstand. Er lag auf dem Rücken und drückte sich noch immer sein Hemd vor den Mund, das stank und nach Urin schmeckte. In diesem Moment war er bereit, die Suche nach Tristan für immer aufzugeben, nur um eines Schluckes Wassers willen.
    Fast hätte er sich verraten. Aber er konnte sich zurückhalten, immer das Tuch vor den Mund gepresst. In den nächsten Tagen - oder waren es nur ein paar Clockstunden? - wimmerte er, wenn er halbwegs bei Besinnung war, vor sich hin. Ohne ein Wort von sich geben zu können, flehte er später darum, dass Floräte nicht wieder von ihm wegrenne. Einmal glaubte er, in ihre riesigen Augen zu blicken, dann wieder sah er das Schwert mit dem goldenen Griff, wie er es Tristan in die Wiege legte, mit der Spitze bei den Schultern. Da spürte er, dass man ihn gegen den Kopf trat und gegen die Rippen, man zog ihn an den Haaren und überschüttete ihn mit Flüchen. Seine Hände rutschten erst über Schiffsplanken, dann über Steingeröll, schließlich geriet er zwischen dichtes Schilf. Dort blieb er liegen.
     
    Brot und Wasser ~ 185 ~ Nadel und Faden
     
    Als er die Augen aufschlug, beugten sich zwei ältere Männer über Rual. Ihr .weißgelbes Haar fiel ihnen über die Schläfen bis in den Kragen, in ihren Barten klebten Speisereste. Rual dachte zuerst, dass er ein und dieselbe Person zweimal sah, aber seine Augen konnten vom einen Gesicht zum anderen wechseln, und so erkannte er, dass das Alter zwei Menschen sich ähnlich hatte werden lassen.
    «Wo bin ich?«, war seine erste Frage. »In Danmark.«
    »Wer seid ihr?«
    »Zwei gottesfürchtige Pilger, wie du wohl auch einer bist.«
    »Und wie komme ich hierher?«
    »Wir sahen dich über den Kieselstrand kriechen auf allen vieren, mitten in der tiefen Nacht.«
    »Ihr sprecht meine Sprache?«
    »Ein wenig. Eine Zeit lang waren wir bei den Normannen und bei den Bretonen.«
    »Aber auch bei den Flamen und Franken. In Wahrheit aber sind wir Britannier, doch diese Sprache sprechen wir in einer alten Form, denn wir sind schon seit Jahren nicht mehr auf der Insel gewesen.«
    Rual richtete sich auf und sah sich um. Er lag auf einer Pritsche und befand sich in einer Art Stall.
    »Wir haben dir zu trinken gegeben. Du warst fast verdurstet. Drei Tage hast du geschlafen. Im Fieber sprachst du seltsame Worte. Die wenigsten haben wir verstanden. Nur wegen eines Namens sind wir bei dir geblieben.«
    Wie ein Rätsel kam dem Marschall vor, was er da hörte oder verstand. Er erblickte Brot in einer Holzschale, griff hastig danach und stopfte es sich in den Mund. Einer der Pilger reichte ihm einen Becher Wasser. Rual trank ihn aus und griff nach dem Rest des Brotes. Seinen ganzen Körper wollte er damit füllen, der ihm bis zu den Schultern hohl vorkam wie ein leeres Fass. Erst als nichts mehr zu essen und zu trinken da war, besann er sich der Worte der Pilger und wollte wissen, welchen Namen sie gemeint hatten.
    »Tristan«, sagten sie beide fast gleichzeitig und mussten deswegen lachen.
    Rual erschrak. »Was …?« Mehr brachte er nicht hervor.
    »Immer wieder hast du den Namen in deinem Fieber ausgesprochen.«
    »Ich suche ihn.«
    »Wie sieht er aus?«
    Rual beschrieb ihn mit wenigen Worten: ein Jüngling, blondes lockiges Haar, vieler Sprachen mächtig, geschickt im Umgang mit Waffen. »Er hat eine schöne Stimme, der man gern zuhört, Augen, denen man traut, herrschaftliche Kleidung, Schuhe, nur für seine Füße genäht.«
    »Dann ist er es.«
    »Ihr seid ihm begegnet?«
    »Vor Jahren - in den Wäldern bei Tintajol. Er sagte, er sei ein Jäger und hätte sich verirrt. Allerdings trug er nur seine Wäsche. Doch die Schuhe waren von bester Art. Und über dem Rücken hatte er ein Bündel, aus dem glänzten Goldfäden hervor und blauer Samt.«
    »Vor wie vielen Jahren?«
    Die beiden sahen sich an, begannen sich zu streiten und verfielen dabei in eine Mundart, die Rual nicht kannte. Mit einem Mal beruhigten sie sich, und einer sagte: »Drei Jahre - wir sind uns sicher.«
    »Tintajol, König Markes Hof?«
    »Wie wir hörten, ist dein Tristan jetzt ein Barde und ein Musikant. Es kommen Ritter und auch wifes von weit her, um ihn singen und spielen zu hören.«
    Dann musste es Tristan sein. Rual sank auf sein Lager zurück. Er hörte noch die Worte, dass die Pilger

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