Tristan
tiert, Brangaene wurde der Zutritt verwehrt. König Marke hatte dies so angeordnet. Er wollte, dass niemand mehr Einfluss auf Isolde nehmen konnte. Die Kleider, Wäsche, das Bettlinnen war vorsortiert und bereitgelegt für die Hochzeitsnacht. Alles war mehrmals gewaschen worden, war blütenweiß und unbefleckt. König Marke wollte sichergehen, dass die zukünftige Königin ihre Jungfräulichkeit noch nicht verloren hatte. Gurmûn hatte ihm noch am Abend seiner Ankunft das Ehrenwort gegeben, an seiner Tochter sei kein Makel.
Doch Marke traute niemandem, schon gar nicht Gurmûns Ehrenwort, und auch nicht Helen, des Jagdmeisters Frau. Isolde musste sich daher alleine waschen und sich selbst ankleiden für die Nacht.
Sie konnte nicht schlafen. Einige Male ging sie auf den schmalen Altan vor ihrem Zimmer und sah in die Ferne. Doch für sich schaute sie in die Vergangenheit. Einen Waldsaum sah sie vor sich, an dem sie Kräuter pflückte. Oder sie durchlief Flure, von denen Türen abgingen, die mit dicken wollenen Tüchern verhängt waren. Sie rief nach ihrer Mutter, entdeckte sie vor einem brodelnden Bottich, und plötzlich, aus dem Traum erwachend, kam ihr in den Sinn, was sie wollte. Sie rannte zur Tür und befahl - durch den Türspalt rufend - Brangaene zu sich, die Einzige, der sie traute. Da Brangaene sich vor der Tür zu Isoldes Kammer gleich bei den Wachsoldaten auf ein paar Decken gelegt und ebenfalls einen unruhigen Schlaf hatte, hörte sie die Anweisungen ihrer Herrin.
»Hol mir getrocknete Kräuter«, sagte Isolde auf Eruisch, »Kampfer, Fingerhut, Eibenbeeren, Vogelbeeren und jede Menge Wurzel der Mandragora! Außerdem vergiss nicht das Veilchenöl, wie wir es besprochen haben!«
»Wollt Ihr Euch vergiften?«, fragte Brangaene. Da wurde die Tür geschlossen und gleich wieder aufgerissen. »Das ist ein königlicher Befehl!«, hörte sie Isolde schreien, und die Tür fiel zu.
»Was sollte das?«, fragte einer der Wachmänner.
»Ein Wunsch der Königin nach Kräutern für die Hochzeitsnacht.« Brangaene machte sich auf den Weg. Sie bat um Einlass zu den Gemächern des Königs. Der war noch immer in Verhandlungen mit Gurmûn, ließ sie abweisen. »Sie will sich vergiften!«, rief sie in den Saal, bevor die Tür geschlossen wurde.
»Wer war das?«, unterbrach Marke das Gespräch.
»Wer schon?«, grummelte Gurmûn in seinen Bart. »Meine Tochter wahrscheinlich.«
»Wer will sich vergiften?«, sagte Marke und schritt eilends zur Tür. Er bekam es mit der Angst zu tun. »Entschuldigt mich!«, rief er Gurmûn im Weggehen über die Schulter zu. Dann stand er schon auf dem Flur, vor sich sah er Brangaene.
»Sie hat nach Beeren, Kräutern und Wurzeln verlangt, die den Tod herbeiführen können!«, sagte Brangaene außer Atem, nannte einige Pflanzennamen, wandte sich schon wieder ab, warf bei der Drehung des Kopfes ihr aufgelöstes Haar um die Schultern, wie Isolde es auch gern tat, wenn sie aufgeregt und wichtig erscheinen wollte, und lachte. Die hohen Herren, die von nichts eine Ahnung hatten, vor allem keinerlei Wissen über die Macht der Natur! Nur ihre eigene glaubten sie zu kennen!
Marke war ratlos, weshalb Isoldes Zofe sich so aufgeführt hatte, und blieb mit gerunzelter Stirn zurück. Die Verträge mussten endlich unterzeichnet und besiegelt werden, Gurmûn war ein schwankender Mensch, dem man zutrauen konnte, mit einem Mal alle Pläne wieder zu verwerfen. Deshalb kehrte Marke rasch in den Raum zurück.
»Was für Beeren und Kräuter sollen es denn sein?« Gurmûn lachte und musste an seine Frau denken. »Ab morgen wird es in deinem Leben, König Marke, oft um Kräuter und Beeren gehen. Um Beeren mit longvitÄh«, sagte er und fiel in seine Sprache zurück. »Nicht um solche, die lange Zungen haben, die dein Tristan oder Tantris aus einem Tiermaul geschnitten hat. Sei’s drum - quät van«, sagte Gurmûn, »lass uns jetzt den Vertrag unterschreiben, und morgen feiern wir Hochzeit. Dauert sie lange?«
»Fünf Mondtage«, sagte Marke wahrheitsgemäß.
»Dann bin ich schon wieder in Emi!« Gurmûn stimmte ein Gelächter an. Sein Atem roch faul, und Marke war erleichtert, als dieser Hüne seine zwei Striche auf das Pergament setzte, das Siegel mit seinem Ring, den er an einer Kette um den Hals trug, in den Lack drückte, dadurch für verbindlich erklärte und schließlich mit seinen Leuten abzog zu den Zelten, in denen sie kampierten.
Marjodô, der oberste Schlossherr und Truchsess von Tintajol, ein Mann
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