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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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vertraute. Noch am Tag der Ankunft veranstaltete der junge Baron ein kleines Fest, es kamen Verwandte aus der Umgebung, darunter auch junge Damen, die Gilan alle bestens zu kennen schien. Zur besonderen Freude Tristans konnte er eine Lautensammlung bewundern, für die Gilan eigens einen Raum reserviert hatte, wie es andere für ihre Jagdtrophäen oder Reliquien taten.
    Unter den Stücken, die Tristan bestaunte, war eine Gambeita mit einem besonders langen Hals und einem Klangkörper, wie er ihn selbst in Italien nicht zu Gesicht bekommen hatte. Er konnte nicht anders, als das Instrument gleich einer eingehenden Prüfung zu unterziehen. Es war völlig verstimmt und musste schon monatelang an der Wand gehangen haben.
    »Vom bloßen Betrachten und Bewundern ist solch ein Prachtstück noch nie schöner geworden«, sagte Tristan zu Gilan, hatte sich die Gambeita gleich zwischen die Beine geklemmt und drehte an den Dornen, die die Saiten spannten.
    »Sie ist vom anderen Ende der Welt. Eine andalusianische Prinzessin hat sie mir geschenkt. Weißt du, wo Andalusia liegt?«
    »Am anderen Ende der Welt«, sagte Tristan lakonisch, drehte dabei an einer der Schnecken, zupfte die Saite und brachte eine Übereinstimmung und einen selten schönen Wohllaut zustande. »Erst jetzt ist deine Gambeita wertvoll«, murmelte Tristan, begann die Saiten zu zupfen und sogleich, wenn auch leise, zu singen. Spielen und singen, das war eins. Das eine konnte ohne das andere nicht existieren.
    Meine Trauer und mein Leid
    Liegt einzig bei Isôt, der Maid, Fern bin ich ihr, sie fern von mir…
    sang er, blickte in Gilans besorgtes Gesicht und endete deshalb mit einem
    Lächeln:
    Doch nicht auf Gilans Burgen hier.
    Gilan klatschte in die Hände, während Tristan seine Melodie mit großer Fingerfertigkeit noch einmal auf den Saiten der Laute umspielte.
    »Komm«, rief Gilan, »lass uns etwas essen. Ich zeige dir das ganze Anwesen, und dann erzählst du mir von der schönen Isôt!«
     
    Tage der Freundschaft ~285~ Petitcrue
     
    Schon am ersten Tag ihrer Begegnung freundeten sich Tristan und Gilan miteinander an und sprachen bald über die Welt, die Musik und auch über die Frauen, wobei Tristan mit keinem Wort erwähnte, wie nahe er seiner Königin stand. Stattdessen fragte er Markes Cousin nach dem Riesen Urgân, doch Gilan wich aus, das habe auch morgen noch Zeit. In Wahrheit lenkte er von dem Thema ab, weil er vom Moment ihrer ersten Begegnung an eine Enttäuschung verspürt hatte, denn diesem jungen Ritter, der zwar von kräftiger Statur, sonst aber eher schmal gewachsen war, traute er es nicht zu, den Kampf gegen ein solches Ungeheuer wie Urgân zu gewinnen. Da er andererseits zu Tristan sofort eine große Sympathie empfunden hatte, genoss er seine Gegenwart und lud ihn dazu ein, so lange wie er wollte bei ihm als Gast zu bleiben.
    Tristan und Gilan - nicht nur die Namen klangen ähnlich. Bereits am nächsten Tag, als der Burgherr zu Ehren von Markes Ritter erneut Nachbarn zu einem Festmahl geladen hatte, entdeckten die beiden eine weitere Gemeinsamkeit, denn der Baron von Wellfort war ein weitgereister Mann. »Vor allem Barcelona habe ich geliebt«, schwärmte Gilan. »Eine Stadt voller Geheimnisse, ein Labyrinth der Genüsse, ein Tempel des Geistes.«
    »Ich war nur einige Wochen dort«, sagte Tristan, als sie zur Nachtstunde vor dem Kamin saßen, »und habe doch vieles erlebt.«
    »Aber wohl nicht die herrlichen Frauen, dazu musst du noch zu jung gewesen sein.«
    »Ich lernte vor allem das Judenviertel kennen und das steinerne Haus.« Als Tristan diese Wörter aussprach, überkam ihn eine seltsame Wehmut. Er erinnerte sich an den Mann, den er zu dieser Zeit nach Courvenal am allermeisten bewundert hatte, Don Philippe von Toledo. Die Rauchschwaden, die aus dem Haus gequollen waren, würde er nie vergessen können. Er hörte Courvenals Worte von der Zerstörung der Bücher noch einmal in seinem Innern, und ihn erfasste eine so große Traurigkeit, dass er seine Tränen nicht zurückhalten konnte. Es half ihm auch nichts, Gilan von Philippe zu erzählen, denn angestoßen durch die Erinnerung an diesen wunderbaren Menschen stieg in ihm der Schmerz auf, fern von Isolde zu sein. Da konnte er nicht anders, als sich seinem neuen Freund ganz zu öffnen und ihm zu gestehen, wie sehr er die Königin von Cornwall liebte und wie sehr sie ihm verbunden war. »Don Philippe«, sagte er unter Tränen, »hatte eine Rechtsabhandlung geschrieben, nach der nicht

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