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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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überbrachte, deren Namen wir nicht nennen mögen. In der letzten Nacht fiel mir endlich ein, Ninurta zu fragen, welchen Schlüssel die Könige verwendet hätten – oder haben, in Ashur jedenfalls – um die Erinnerung zu wecken. Du weißt, es war der Name des Sohns von Priamos, den Enlil- Kudurri-Ushur dann an Madduwattas und seinen Löffel und sein Messer auslieferte.
    »Sag mir den Namen«, bat ich Ninurta, »damit ich ihn dem Rome mitteilen kann, mit deinen Grüßen und denen von Tashmetu.«
    Er sagte zunächst nichts, sondern starrte eine Weile in den Wein, von dem wir alle schon reichlich genossen hatten. Starrte gewissermaßen in zwei Weine: den im Becher und den im Leib, denn sein Blick ging auch nach innen. Plötzlich lächelte er, und Tashmetu, die ihn besser kennt als alle anderen, seufzte. Ein nachsichtiges, einwilligendes, ergebenes Seufzen.
    »Dies ist zu gut, oder zu blöde, um es ungenutzt zu lassen«, sagte der Assyrer. Er kratzte seinen grauen Bart und kicherte.
    »Ein Rätsel, Korinnos, oder ein dummes Spiel mit Wörtern, Wortwurzeln und vertauschten Silben.«
    »Ich hätte mir denken können, daß du keine einfache Antwort gibst auf eine einfache Frage«, sagte ich.
    »Ah.« Er hob den Becher und trank mir zu. »Es ist ja so, daß wir alle nur deshalb überlebt haben, weil Tashmetu eine sehr große Seele hat, über Rauch und Wörter erhaben; ich dagegen habe außerdem auch noch dies und das überlebt, weil ich gar keine Seele habe, die beschädigt werden könnte.«
    »Ich lausche«, sagte ich. »Ich lausche, o Schwertvater, Käufer meines wertlosen Daseins, mit der einem Kaufsohn gebührenden käuflichen Ehrerbietung. Tashmetus Seele« – dabei verneigte ich mich, am Tisch sitzend, und wurde mit jenem Lächeln belohnt, das durch die Augen, die es wahrnehmen, in den Leib sickert und alles wärmt – »Tashmetus Seele ist so umfassend, daß wir in ihr leben und sie nicht durch Reden beflecken wollen. Und du hast gar keine? Schön. Aber was hat das mit dem Sohn des Priamos zu tun?«
    Er runzelte die Stirn, schielte, schwieg schielend und stirnrunzelnd, o Rome, wie du es oft hast sehen müssen; dann glättete sich die Haut, bis auf jene Falten, die dem Alter gehören, nicht dem Grübeln, und er sagte: »Jetzt hab ich es. Aber …«
    »Was ist mit deiner Un-Seele, du Un-Mensch?« sagte Tashmetu.
    »Ich habe keine. Ein Teil ist außerhalb von Babilu verbrannt, als ich ein kleiner Junge war, und der zweite Teil wurde in Ashur gepfählt. Die Leere, die blieb, habe ich in den Jahren mit Vorlieben, Abneigungen, Mängeln und Unsinn gefüllt. Bewegliche Dinge, wißt ihr – gegeneinander zu verschieben, und ich glaube, es ist diese Verschiebbarkeit, die von einigen als Weichheit angesehen wurde. Außen war ich Mensch; sooft ich versuchte, das Innere nach außen zu drehen, war ich Wüste…« An dieser Stelle lachte Tashmetu. »Gleich schreit er wie ein verpfändeter Esel«, sagte sie.
    Ninurta nahm ihre Hand und küßte die Fingerspitzen. »Was entginge denn je deinem Blick, Liebste?«
    Ich muß sehr dumm dreingeschaut haben, denn nun lachten beide, über mich.
    »Wie gesagt, ein Rätsel.« Ninurta hörte endlich auf zu kichern. »Diese Wüste habe ich auch mit Wörtern und Scherzen gefüllt, mit Albernheiten und allem, was helfen kann, die Erinnerung an etwas Gräßliches abzumildern, bis es in Lachen umschlägt. Das Schicksal des Sohns von Prijamadu gehört auch dazu.«
    »Ich johle vor Wonne«, sagte ich. »Wahrlich, ich zerfetze mich in überschwenglicher Heiterkeit. Denn ich ahne, daß du nun vielleicht zum Kern deiner Rede kommst.«
    Ninurta grinste. Schon wieder. »Der Sohn kam als Säugling zu den Assyrern, und sie haben seinen Namen hin und her gewendet; oder vielleicht habe ich mir das nur ausgedacht. Sie sagten, der Kleine, Trugbild väterlicher Wünsche, sei ein Pfand, eine Geisel, und er schreie eher wie ein kleiner Esel oder Ziegenbock. Diesem vorderen Hauch entspreche die hintere Ruchbarkeit.«
     
    Ratlos, o Djoser, sah ich die beiden morgens die neue Yalussu besteigen. Bod-Yanat winkte mir mit einem Holzlöffel, und Tuzku streckte mir die Zunge heraus. Ninurta legte die Hand auf die Stelle, wo richtige Menschen ein Herz haben, und Tashmetu breitete die Arme aus, um mich noch einmal aus der Ferne zu umarmen.
    Den Winter über habe ich immer wieder das alberne Rätsel des Namens bedacht. Ich glaube, er hat das ausgeheckt; kein Wort davon dürfte aus Ashur stammen. Vielleicht hat es ihm

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