Trojanische Pferde
Vermutungen sich bestätigt hatten, doch sogleich vermischt mit einem Kitzel der Furcht. »Abdul und Walid, was sind das für Leute?«
»Sie gehören einer Organisation namens al-Mujari an, muslimische Fundamentalisten mit Sitz in Saudi-Arabien. Angeführt von einem Geistlichen namens Scheich bin Abdur. Sie streben an, die saudische Regierung zu stürzen und die Macht in die Hände des Volkes zu legen. Welches, versteht sich, von ihnen angeführt würde.«
»Und Ibrahim? Welche Rolle spielt er dabei?« Sie hatte das Gefühl, zu viele Informationen in zu kurzer Zeit aufzunehmen, war aber gleichzeitig gierig danach.
»Wahrscheinlich ist das Kalkül, dass sie ihn, falls es gelingt, ihn umzudrehen, als leuchtendes Beispiel benutzen können. Außerdem hätten sie mit ihm jemanden in der königlichen Familie, von dem sie aus erster Hand erfahren, was läuft.«
»Sie haben ihn bereits umgedreht.« Ihr war, als würde ihr jemand den Bauch eindrücken, und sie sah Toms Blick unverwandt auf sich gerichtet.
»Wie das?« Plötzlich wurde ihr mulmig zumute. Woher wusste sie denn, wer Tom war? Oder Nigel? Tom hatte offenbar ihren veränderten Gesichtsausdruck bemerkt, denn er fragte: »Stimmt was nicht?«
»Mir ist eben aufgefallen, dass ich nur Ihr eigenes Wort dafür habe, wer Sie sind.«
»Nun, unglücklicherweise laufen wir nicht gerade mit Ausweisen durch die Gegend.« Er griff in seine Tasche und reichte ihr eine Visitenkarte des Außenministeriums mit dem Aufdruck:
Thomas A. Goddard – Botschaftssekretär
. »Hier. Rufen Sie die Botschaft in Riad an. Oder besser noch, rufen Sie bei der Information an und lassen Sie sich die Nummer geben, damit Sie wissen, dass dieskeine Scheinkarte ist. Geben Sie Ihren Namen an. Man wird Ihren Anruf erwarten. Die Botschaft wird Sie dann mit dem CIA-Hauptquartier in Langley verbinden. Wollen Sie das tun?«
Sasha nickte. Ihr wurde plötzlich klar, dass sie sich auf etwas einließ, das viel schwerwiegender war, als sie sich vorgestellt hatte.
»Was ist los? Was stört Sie? Sprechen Sie sich aus.«
Das gefiel ihr, dieser besorgte Ton. Und auch wieder diese Sanftheit. Ja, sie mochte ihn. Er war nachdenklich, rücksichtsvoll, wie Jassar. Sie konnte sich vorstellen, dass Jassar ihn auch mögen würde. »Nichts.« Sie sah ihn wieder an. »Es passiert nur halt nicht jeden Tag, dass man eine Laufbahn als Spionin einschlägt.« Sie lachte nervös. »Kommen wir wieder zur Sache, würde ich sagen. Also, was geht vor?«
»Wie gesagt, sie planen, die Macht zu übernehmen. Die königliche Familie zu vertreiben, und zu diesem Zweck werben sie Ibrahim an.«
»So wie Sie mich anwerben.«
»Ja.«
»Heikle Geschichte.«
»Ja.« Wieder sah er ihr in die Augen, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Ich frage mich, warum ich nicht einfach weglaufe. Nichts mit der ganzen Sache zu tun haben.«
»Und?«
»Ich glaube, Sie wissen es. Ich wette, Sie wissen eine ganze Menge über mich. Sie sind sorgfältig, bedachtsam. Sicherlich ist Ihnen bekannt, wie nahe ich Jassar stehe.«
»Ja.« Er blickte kurz zu Boden, hob dann wieder den Kopf. Schämte er sich?
»Also wissen Sie …« Sie hielt inne. Wahrscheinlich wusste er tatsächlich alles über sie. Christina. Ihr Verhältnis zu Jassar. Ihr Leben mit Ibrahim, ihre Rolle als Konkubine. Sie erinnerte sich, dass sie in einer ähnlichen Situation, bei der Vorstellung, Bekannten aus ihrem früheren Leben zu begegnen, klipp und klar beschlossen hatte, sich niemals und bei niemandem dafür zu entschuldigen,wer und was sie war. Damals nicht und jetzt erst recht nicht.
Also?
»Also wissen Sie, dass ich mir um Jassar Sorgen machen würde.«
»Genau wie wir«, sagte er ernsthaft.
Sie wurde von Schwindel ergriffen, sah ihn an. »Sie sagten, diese Leute wollten … Sie verwendeten das Wort
Umsturz
.«
Tom antwortete nicht gleich, musste offenbar nachdenken. Und beobachtete sie dabei. Ein Gedankenblitz traf Sasha und versetzte sie in Panik. Bisher hatte sie sich nie gestattet, die Sache zu Ende zu denken. Dabei lag die Schlussfolgerung so nahe. Jassar war vielleicht tatsächlich in
Gefahr
!
»Wir versuchen, sie aufzuhalten. Wollen Sie uns helfen?«
»Was genau haben Sie vor? Warum wenden Sie sich nicht direkt an die saudische Regierung? An Jassar?«
»Das haben wir schon probiert. Sie beharren darauf, dass das eine interne Angelegenheit sei. Privat sozusagen.« Er beugte sich ihr entgegen, so wie am Mittagstisch im Baron David, so wie bei seinen Gesprächen mit
Weitere Kostenlose Bücher