Trojaspiel
Geste der Übergabe durch Bianchi, der zwar in die prachtvoll emaillierte Dose hineingeschaut haben will, das sei ihm schließlich auch nicht verboten worden, aber mit den Unterlagen in dieser widerwärtigen Schmatzsprache (hier bediente er sich unfreiwillig komisch jenes Begriffes, den sein Onkel geprägt hatte) nichts anfangen konnte. Er wirft uns dann fast hinaus und lacht dabei, als würde er dafür bezahlt werden, aber man sieht ihm an, daß sein Leben mit der Erfüllung dieses Auftrages den letzten Höhepunkt gefunden hat.
Mit dem zurückgelassenen Eigentum des Baumeisters, das dieser für denjenigen bestimmt hatte, der, seiner festen Überzeugung nach, eines Tages im Hause der Bianchis nach ihm suchen würde, hoffte der Sohn den Sekretär selbst endlich losgeworden zu sein. Die Dose im Hutschachtelformat, die das Bild einer beeindruckenden Konditorei in der Odessaer Innenstadt ziert und in der vermutlich einmal Konfekt aufbewahrt worden ist, enthält tagebuchähnliche Aufzeichnungen, Zeitungsausschnitte und ein paar persönliche Erinnerungsstücke, die für T. L. von besonderem Wert gewesen waren.
Ich zweifele nicht daran, daß Mahgourian, so geheimniskrämerisch er diesen Nachlaß auch behandelt, den er ohne weiteren Kommentar an sich gerissen hat, uns jede seiner Entdeckungen mitteilen wird, sobald er alles durchgesehen hat. Ich sehe keinen Grund, mich einer weiteren Lüge überführen zu lassen, und die Beschäftigung mit der Muttersprache des Baumeisters, der ich mich auf dem Speicher auch gewidmet habe, reicht, das sehe ich schon, als der alte Hotelier die Papierbündel durchblättert, ohnehin nicht aus, um die Handschrift von T. L. zu entziffern.
Also lasse ich Mahgourian seinen Willen.
Der, den wir suchen, er wird sich zeigen.
Bianchi, der ihn immerhin für einen Verbrecher hält, behauptet, er habe sich nicht mit Details belasten wollen, die seine Familiengeschichte womöglich noch gründlicher befleckt hätten. Den Inhalt der Dose will er deswegen nicht angerührt haben. Aber er weiß, daß der Knabe seine Heimatstadt Odessa mit einem Schatz verlassen hatte, den er voller Berechnung einsetzte, eigennützig um Vaterschaft werbend.
Unterdessen, während die Bekenntnisse des Baumeisters studiert werden, von einem alten Mann, der endlich erlöst werden will, bleiben auch die restlichen Jünger, fast immer schweigend in Übereinkunft, auf seiner Spur.
Ihr Weg führt sie durch die Stadt: Eine Weile des Irrens und Herumstreifens in unnachsichtiger Sommerhitze. Sie folgen dem Motiv der fünften Postkarte, das sich nicht auffinden lassen will, folgen deswegen dem Instinkt, der sie durch Straße um Straße zieht, dorthin in die kleinste Öffnung einer Gasse, sie entdecken ein verwittertes Schild, es weist zu Gebäuden, die merkwürdig unbewohnt aussehen. Magere Katzen streichen um spärliche Abfälle, hier lebt kein Mensch mehr, eine Ausgrabungsstätte? Ganz Rom ist ein Fundort der Geschichte, sagt Bianchi.
Dann eine weitere, von Hand beschriebene Tafel für denjenigen, der aus Neugier bis zu diesem Ort gelangt ist, sie gehen eine brüchige Treppe hinunter, vorbei an Mauerfragmenten eines antiken Hauses, Streifen von feuchtem Sand auf dem Boden, ein paar Ausgrabungswerkzeuge, ein Raum, der eine willkommene Grabeskühle besitzt und auf ein Tor zuführt, ein Hauseingang unter der Stadt. Sie blicken zu Boden, erkennen die steinerne Kette, das verschlungene Band ineinandergeschobener rechter Winkel, in deren Zentrum das Ziel liegt, ein Schutzlabyrinth, magische Geometrie im Innern der Erde.
Trotzdem sind sie am falschen Ort.
Der spanische Archäologiestudent schüttelt den Kopf, als er die Karte sieht, den Text auf der Rückseite beachtet er nicht. Sein Professor erkennt das Mosaik sofort, legt seine Kelle aus der Hand und möchte die Karte nicht wieder hergeben. Warum ist der Ortsname auf der Rückseite durchgestrichen? Wir wissen es nicht. Er entziffert den lateinischen Vers mühelos, was mir imponiert, denn ich habe für diesen Absatz, den ich auf dem Speicher in Vergils Äneis unterstrichen fand, einen halben Tag gebraucht und ihn trotzdem nicht verstanden. Meiner Bildung, aufgrund schulischer Fehlzeiten unzureichend, ist erst später aufgeholfen worden, anhand der Übertragung von Blumauer (Berthold Sutter Verlag, München 1910), die das an dieser Stelle geschilderte Reiterspiel, die Römer nannten es Trojaspiel, im Zusammenhang des Textes begreiflich
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