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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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Überzeugung, daß ich sie nicht mehr belügen werde. Dann wird ihr Blick – fast widerwillig – doch hart.
       »Auf dem Speicher hast du die gleichen Bücher gelesen. Er hat dieses Spiel doch nicht selbst erfunden«, macht sie sich selber und mir für ein Geständnis Mut.
       Ich nicke Laura zu und verziehe den Mund. Zack nimmt Paolo, der uns interessiert beobachtet, die schwere Holzabdeckung aus der Hand und lehnt sie an eine Säule. Dann kniet er sich nieder und folgt mit dem Finger dem Weg durch die vier Quadranten des Labyrinths.
       »Man kommt nicht durch bis zu diesem Leuchtturm. Die letzte Mauer, die ihn umgibt, ist nicht durchbrochen. Es gibt keinen Eingang«, sagt er halblaut, weil er schüchtern unsere Konfrontation, sie liegt jetzt wie so oft im Schweigen, bemerkt hat oder weil er enttäuscht ist.
       Laura dreht mir den Rücken zu und streift ärgerlich meine besänftigende Hand von ihrer Schulter. Meine Sprachlosigkeit ist ein erneuter Verrat.
       »Es ist eine Kulthandlung«, sage ich, um eine Liebe zu retten, »ein Mysterium. Die vornehmsten jungen Männer der Gesellschaft reiten eine labyrinthische Bahn. Unter Waffen. Sie drehen und wenden sich auf diesem Weg. Mal stehen sie sich gegenüber, mal zeigen sie einander den Rücken. Wie in einer Schlacht. Der eigentliche Sinn des Spiels aber war, mit dem Abreiten der Bahnen eine symbolische Mauer zu ziehen. Sie sollte so unüberwindlich sein wie die Mauern von Troja, die Poseidon uneinnehmbar gemacht hatte. Das Trojaspiel ist eine Grenzziehung, es soll schützen. Man hat es bei Stadtgründungen aufgeführt. Und bei Leichenfeiern. Der Archäologe an der Laterankirche hat recht gehabt. Das Labyrinth ist nicht der düstere Kerker. Nicht für jeden. Es kann auch schützen. Es zieht eine Grenze zur Welt.«
       »Warum gerade hier dieser Hinweis? Was hat das Reiterspiel mit Ostia zu tun? Als dieses Mosaik entstanden ist, gab es hier schon längst eine lärmende Hafenstadt«, Laura setzt fast ängstlich nach, jetzt da ich das Schweigen gebrochen habe, so ein unerwarteter Zuwachs an Wissen ist für sie auch unheimlich, vielleicht hat sie sich auf eine weitere Weise in mir getäuscht.
       »Nach der Fabel Vergils ist Äneas aus Troja geflohen und nach vielen Irrfahrten hier an der Tibermündung an Land gekommen. Seine Nachfahren haben später Rom gegründet. Das Trojaspiel ist das Erbe des Äneas. Er hat es den Römern hinterlassen. So wie der Baumeister uns seine Labyrinthe hinterlassen hat.«
       »Du meinst, dieser T. L. vergleicht sich mit Äneas?«
       Ich hebe unschlüssig die Schultern, tatsächlich ist es gleichgültig, wer sich mit wem vergleicht. Das Eigene, das Unverwechselbare zu bestimmen, jeder muß sich selbst darin üben.
       »T. L., das sind die Initialen aller Phantasienamen, die er benutzt hat, so wie Thorvald Lenz, Timon Lubinski, Tibor Lennartz. Ich glaube, daß diese Buchstaben für Troiae Ludus stehen, für das Trojaspiel. Der Baumeister hat das Labyrinth zur Metapher für sein Leben gemacht.«
       »Es sind auch deine Initialen.«
       »Ich weiß.«
       Benommen von der noch immer lastenden Hitze oder betrunken von persönlichen Betrachtungen, das Nachdenken kann lähmen wie die Mittel, verlassen wir den vorletzten Hinweis von T. L.. Paolo bleibt einsam neben seinem Schemel stehen. Als wir bereits einen langen Weg zurückgelegt haben und in den nächsten der steingepflasterten Pfade einbiegen, der einmal eine Straße zwischen Häusern war, drehe ich mich noch einmal um und sehe den Wächter die Augen mit der Hand beschirmend uns noch immer nachblicken.
      
      
       Der Knabe, der Bianchis Überzeugung nach ein dunkles Geheimnis hütete und zweifellos ein Verbrecher war, hatte seine Heimatstadt Odessa auf einer Dreimastbark namens Nautilus verlassen, die Stoffe aus einer Tuchfabrik in Cherson geladen hatte, geordert für den französischen Markt. Die Nautilus hatte in Odessa nur angelegt, um Proviant und frisches Wasser aufzunehmen, offiziell. Aber der Kapitän, ein Portugiese, der im Auftrag seiner Reederei lange Zeit für ein Handelshaus in Odessa gesegelt war, hätte durchaus komfortabel bis zum goldenen Horn am Ausgang des Bosporus segeln können, um in Konstantinopel die Vorräte aufzufrischen. Er hätte es auch bis jenseits des Marmararmeeres geschafft und vor einer der zahlreichen ägäischen Inseln ankern können, um dies zu erledigen, aber der wirkliche Zweck seiner Reise machte die

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