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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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darin, daß ein Junge von vierzehn Jahren nicht, ohne zum Schurken geworden zu sein, in den Besitz eines solchen Schatzes gelangt sein konnte?
       Aber warum sollte ein ausgemachter Krimineller sich so leicht von den Früchten seiner Taten trennen wollen, und wie sollte ein Rechtsbrecher in diesem Alter eigentlich büßen? Wie hatte übrigens Bianchi senior für dasselbe Delikt gebüßt oder sein Sohn, dem Besitz und Nutzen des Vermögens mehr am Herzen gelegen hatten als dem Gauner, von dem sie es empfangen hatten.«
       Jetzt machte sich Mahgourian Luft, verwahrte sich an der Stelle des Baumeisters gegen die Schmähungen und Unterstellungen eines eifersüchtigen Sohnes, stellte sich auf die Seite eines Kindes und eines Genies, das kein Verbrecher sein konnte, das sich großzügig und selbstlos zeigte, dessen Gegenwart uns noch immer mit Staunen erfüllte, das aber nicht anwesend war, um sich selbst zu verteidigen.
       Zack sieht Mahgourian, der mit überschnappender Stimme gesprochen hat, an, wie er selbst im Park angesehen worden ist, wie jemanden, in dessen Nähe die Zerbrechlichkeit des menschlichen Geistes fühlbar wird. Er bläst kopfschüttelnd Luft durch die Nase, mit vierzehn, das weiß er mit seiner Straßenerfahrung, kann man Opfer oder Urheber einer ganzen Horrorwelt von Verbrechen sein.
       Lauras Augen sind in meine gebohrt, leuchtend, voll unbestimmtem Bedauern, dieser Sorge, die ihre eigene Not reflektiert und der persönlichen Flucht ein Ziel bietet. Aber weil das der Grund für uns alle ist, hier zu sein, weil ich ihren Blick am meisten liebe, wenn er diese leise, hart erkämpfte Zuversicht ausdrückt, auch wenn es dafür keinen Grund gibt, nehme ich sie in die Arme, um ihr zu zeigen, daß trotz aller möglichen Verbrechen dieser Teil der Geschichte des Baumeisters, die nun auch unsere Geschichte ist, glücklich enden kann.
       Denn Mahgourian war jetzt soweit, wollte Ursprung und Wurzeln benennen, die wirkliche Geschichte T. L.s erzählen und erkennen, welches Band geknüpft ist zwischen ihm und dem Baumeister.
      
       »Vielleicht gibt es«, formulierte er erschöpft an unserem letzten Abend im Imperial , »dieses universelle Gedächtnis, das all unsere Verfehlungen aufschreibt und summiert und sie uns jederzeit vorhält. Vielleicht ist das jenes Band, das uns alle vereint und zu einer Gemeinschaft macht, aus der wir nicht fliehen können. In den Ketten dieser Gemeinschaft hängen wir aneinander, verstehen einander und begehren einander. Und doch ist es für jeden der größte Traum, aus ihr zu entfliehen.«
       Und wie der Verdurstende trinkt, ohne abzusetzen, will der, dessen Zeit zu Ende geht, in einem Atemzug erzählen, um endlich die eiserne Tür aufzustoßen, die zwischen dem verlassenen Individuum und der Einsicht in sein Schicksal steht. Wie selten hat man die Gelegenheit dazu, wie selten erreichen wir in Wirklichkeit jene Schattenwesen, die sich unserer Sehnsucht entziehen wollen.
      
      
      

Z w e i t e s  B u c h
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
     
      
      

D e r  B a u m e i s t e r
     
    (Mahgourians letzte Erzählung)
     
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
     

M o l d a v a n k a
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      
      

 
     
       Zwei Menschen verdankte der Knabe seine Geburt (sieht man von den beiden ab, die ihn gezeugt haben). Zwei Wesen, wahrhaftig keine Engel, sind zu nennen, ohne die T. L. den Weg in diese Welt nicht gefunden hätte. Die Hebamme Sonja Kotusova war sich sicher, daß sowohl die in den Wehen liegende Mutter als auch das noch ungeborene Kind ohne ihre Hilfe gestorben wären. Der Labyrintherbauer und Erforscher des Untergrunds, er hätte jene erste Höhle und ihre Dunkelheit, in der er von der befruchteten Eizelle zum strampelnden Fötus herangereift war, nie verlassen, hätte sein Leben in einem Traum beschlossen.
       Die Kotusova, die T. L. auf die Welt geholt hatte, war nicht recht bei Sinnen gewesen, als sie den Säugling aus seiner zu eng gewordenen Unterkunft befreite. Wie ein Hexe starrte sie das Neugeborene an (so formulierte sie es später selbst), ohne zu wissen, was mit ihm zu tun sei. Schon als der

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