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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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eine Anstellung für Lukin und mehr Gehalt für den Dichter Ljutov.
       Als Gegenleistung bot er einen ausführlichen Plan des Kalksteinlabyrinths unter der Stadt.
       »Das ist unmöglich!« entgegnete Japonchik.
       Er meinte nicht die Forderungen des Knaben.
       »Tausende von Bergleuten haben hundert Jahre lang unter der Stadt gegraben. Deine Lebenszeit würde für diese Arbeit nicht ausreichen. Viele Männer haben dort unten den Tod gefunden. Du aber bist ein Kind, Monsieur.«
       Theo zog wortlos vier gefaltete Bögen Papier aus dem Brustarchiv seines Jacketts, auf denen das Winterprogramm des Elefanten sowie einige Werbeempfehlungen für benachbarte Restaurants und Sergej Feinsteins berühmte anilinfreie Schuhcreme gedruckt waren. Er drehte sie um und legte die Blätter, ein mit den vier Himmelsrichtungen gekennzeichnetes Rechteck bildend, vor Japonchik auf den Tisch. Das, was da von Theos Hand gezeichnet vor dem Räuberhauptmann ausgebreitet lag, sah aus wie ein ausgefranstes Spinnennetz, trug Zahlen an seinen einzelnen Fäden und hatte eine Legende, die sich auf Knotenpunkte, Sehenswürdigkeiten entlang der Strecke und optisch schwer vermittelbare Risiken bezog.
       »Das ist der Weg von der Meeruferstraße zu deinem Haus«, sagte der Junge.
       Mischka spürte eine aufsteigende Hitze und warf kurz scheue Seitenblicke. Mit Handzeichen gab er dem folgsamen Krasnoglaz zu verstehen, Störungen im Umkreis des Tisches seien jetzt unerwünscht. Dann studierte er den Plan, ließ sich von Theo ein paar Erläuterungen geben, zeigte sich fasziniert bis ungläubig, konnte aber schon an den unter die Stummstraße führenden Fäden des Spinnennetzes erkennen, daß der Junge genau – unglaublich genau – gearbeitet hatte.
       Theo nicht aus den Augen lassend, ließ er schließlich die Blätter hastig in seinem Anzug verschwinden, wo sie von einem Browning und einem Dolch mit Affenkopf bewacht wurden.
       »Besitzt du eine Kopie, Monsieur?« fragte das Japanerchen streng.
       »Brauche ich nicht«, antwortete der Gefragte, sich an die Schläfe tippend.
       Mischka kreuzte die Arme auf der Brust und lehnte sich zurück, sagte: »Dein Leben, Monsieur, wird mir immer kostbarer.«
       Er ließ Theo ein Frühstück bringen und brachte es trotz Termindruck fertig, ihn geduldig beim Essen zu beobachten, stillschweigend, womöglich darauf wartend, daß der Knabe sich durch den Gebrauch von Messer und Gabel oder die Handhabung seiner Teetasse endlich selbst enträtseln würde. Theo war jedoch viel zu aufgeregt, um Wurstbrot und gebratene Eier genießen zu können. Als wäre er es, den dringende Geschäfte erwarteten, schob er mit glühender Stirn den Teller von sich, weil er unbehaglich spürte, daß wenigstens das Leben von Birnbaum und Zipperstein auf dem Spiel stand, wenn Japonchik sich so zögerlich gab wie bisher.
       Onkel Mischka war jedoch nicht unentschlossen, sondern überschlug nur gerade seine Vorteile bei der in Aussicht stehenden Vereinbarung und gewann dabei die Ahnung, der Nutzen von Theos Talenten müsse mit dem Anfertigen von Plänen noch gar nicht erschöpft sein. Er bemerkte, daß der Junge kurz davor war, einen Wutanfall zu bekommen oder in Tränen auszubrechen, und zeigte ihm beschwichtigend die gepflegten Innenflächen seiner Hände.
       »Es wäre eine ungeheure Leistung, Monsieur. Wie willst du das anstellen?« fragte er vorsichtig.
       »Das ist meine Sache«, entgegnete der Junge schon schluchzend, »es sei denn, Sie wollen mich begleiten.«
       »Sofern«, entgegnete der Räuber lächelnd, »es keine Frage der Ehre ist, will ich darauf verzichten.«
       Mischka Japonchik erhob sich und reichte Theo die Hand.
       Der Junge schlug ein, nicht glücklich, nur erleichtert, wie Herr Krasnoglaz trotz eingeschränkter Sicht hätte bezeugen können.
      
      
       Auch in den folgenden Stunden, die Mischka in seinem roten Hispano-Suiza bei weiteren Geschäftsgesprächen und wie es nun einmal sein Los war, in schlechter, jedenfalls nicht so begabter Gesellschaft verbrachte, wollte ihm der Knabe nicht aus dem Kopf gehen. Weil der Junge nichts für sich selbst verlangt hatte, schloß er, daß Theo loyal sein würde. Aber warum zum Teufel hatte er nicht gefordert, daß man den Tod seiner Mutter räche? Denn hierauf war Japonchik vorbereitet gewesen. Er hätte diesen Dienst gerne geleistet, ließ auch schon seit Tagen Nachforschungen anstellen, wenn auch ergebnislos, wollte am

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