Trolljagd
nicht. Einer von uns muss sie lange genug aufhalten, bis die anderen das Ufer erreicht haben; andernfalls wären wir eine leichte Beute für ihre Bogenschützen. Also, hören Sie auf, mit dem Ältesten zu diskutieren, und gehen Sie.« Redfeather stieß Lucy durch den Torbogen. Etwas unbeholfen landete sie in dem Klärschlamm, rappelte sich schnell wieder auf und schwamm zum Ufer.
»Du bist dran, mein Freund«, sagte Redfeather zu Cristobel.
Der Zwerg starrte ihn bewundernd und traurig zugleich an. »Diese Art von Heldenmut kenne ich bislang nur aus Geschichten, die davon erzählten, wie wir einst waren.«
»Dann lass dich von meinem Beispiel dazu inspirieren, wieder der zu sein, der du sein könntest. Und jetzt geh. Lucy könnte deine Hilfe dringend gebrauchen.« Cristobel nickte, aber er zögerte noch immer. »Ich bin direkt hinter dir«, versicherte Redfeather. Doch ehe Cristobel springen konnte, kam Redfeather noch ein Gedanke. »Falls ich es nicht schaffen sollte, gib auf das Mädchen acht und hilf ihr, aus den Bergen zu fliehen und meinen Enkel zu finden. Er und seine Freunde haben die Mittel, euch zu helfen.«
»Wir werden am Ufer auf Euch warten«, versprach Cristobel und sprang.
Nun, da seine Freunde in Sicherheit waren, wandte sich Redfeather seinen Feinden zu. Der erste Troll, der in seine Reichweite kam, verlor durch zwei Hiebe eine seiner Hände und die untere Hälfte seines Gesichts. Redfeather hatte seit Jahren kein Schwert mehr in der Hand gehabt, und damals auch höchstens zu zeremoniellen Anlässen, aber seine Reflexe erwachten zum Leben, als hätte er jahrelange Kampferfahrung. Den zweiten Troll durchbohrte er mit der Spitze seines Schwerts. Mit dem Fuß schob er ihn von der Klinge und drehte sich, um zu flüchten. Sein Lauf war schwerfällig und langsam, und das bezahlte er damit, dass ein Troll ihn am Hosenbein erwischte. Redfeather schlug mit dem Kinn auf dem Boden auf, wurde bewusstlos und war nun hilflos der Willkür der Trolle ausgeliefert.
»Es hat sich wahrscheinlich entzündet.« Lucy versuchte die Wunde an ihrem Schlüsselbein so gut wie möglich von dem Schlamm zu säubern. Ihre Schulter war bereits dick geschwollen und sah wirklich übel aus. »Und frag mich erst gar nicht nach dem Gestank.« Sie und Cristobel waren von oben bis unten mit einer widerlich stinkenden braunen Masse bedeckt, und Lucy war nicht sicher, ob sie wissen wollte, was das war.
»Die Alten können Eure Wunden pflegen, wenn wir mein Dorf erreicht haben, und was den Gestank angeht: Wir sollten dankbar sein, dass es nur Schlammabfall war und nicht die Steine.« Cristobel lenkte ihren Blick auf die spitzen Felsbrocken, die die Festung von Prinz Orden säumten.
»Kein angenehmer Gedanke.« Lucy suchte die Felsenfestung nach Redfeather ab, aber sie konnte ihn nirgends entdecken. »Wo zum Teufel steckt er?«
»Da.« Cristobel zeigte auf die Öffnung, aus der sie gesprungen waren. Sie konnten beobachten, dass er schon beinahe in der Luft war, als die Hand eines Trolles ihn zurückriss. »O nein.«
»Wir müssen zurück!« Lucy tat einen Schritt nach vorn, aber Cristobel hielt sie am Arm fest. Er war ungewöhnlich stark für jemanden, der so klein war.
»Den Eisernen Bergen zu entkommen war ein Segen, aber ein zweites Mal würden wir das nicht schaffen. Wir können nichts für ihn tun, wenn wir tot sind. Wir werden einen anderen Weg finden, das schwöre ich Euch.« Aus dem Eingang der Festung strömten Unmengen von Trollen in allen Größen, die nach Blut schrien … ihrem Blut. »Wir müssen hier weg.« Er zerrte an Lucy, die endlich zuließ, dass er sie von dort wegbrachte.
Lucy hatte schon einige Schauergeschichten von den Eisernen Bergen gehört, aber das war nichts verglichen mit dem, was sie jetzt vor sich sah. Unterhalb der Berge wuchs nichts mehr. Die Vegetation war bis auf die Reste einiger Bäume und Sträucher vollständig vernichtet. Die Flüsse, in denen die Zwerge einst einige ihrer großartigsten Waffen gekühlt hatten, waren schon lange ausgetrocknet, und statt des Wassers flossen Lavaströme in den Flussbetten. Ordens Festung und die meisten umliegenden Gebäude waren direkt in die Felswand gemeißelt. Das Land war von so unendlicher Weite, dass es eigentlich unmöglich unter New York City Platz finden konnte, aber was die Königreiche von Midland betraf, hatten Raum und Zeit keine Bedeutung.
»Hier entlang.« Cristobel zog sie weiter.
»Etwas langsamer, bitte, diese hohen Absätze bringen mich
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