Troposphere
veg, damit für Nachschub gesorgt ist. Ich habe keine wirklich für den Transport geeigneten Lebensmittel, also muss ich mich später darum kümmern. Die Tasche ist gepackt, ich wasche mich rasch und verlasse die Wohnung. Neben der Tür liegt ein Umschlag mit meinem Namen darauf. Jemand muss ihn da hingelegt haben, als ich bewusstlos auf dem Sofa lag. Er ist von Adam. Dringend, steht darauf. Ich muss mit dir reden. Okay. Er hat eine örtliche Telefonnummer dagelassen, aber jetzt bin ich paranoid und will kein Telefon benutzen. Ich gehe einfach ins Büro, in der Hoffnung, dass er da ist.
Auch mein Wagen ist mit Schnee bedeckt. Große weiße Flocken fallen immer noch vom Himmel, und die Straßengeräusche haben diesen gedämpften, geheimnistuerischen Klang, als ob die ganze Welt vor sich hin murmele. Ein altes Stück Pappkarton, das auf einem Mülleimer neben dem Wagen liegt, benutze ich, um den Großteil des weichen Schnees von meiner Windschutzscheibe zu schieben. Die Eisschicht darunter ist ein größeres Problem. Ich habe keinen Eiskratzer, und der Karton ist mittlerweile feucht und weich. Ich stelle die Heizung auf Hochtouren und lasse den Motor ein paar Minuten laufen, bis das Eis zu schmelzen beginnt. Ich kann immer noch nicht richtig sehen, als ich losfahre, aber ich bin in Eile. Ich muss herausfinden, ob ich wahnsinnig bin oder in großer Gefahr. Ich wünschte, es gäbe eine dritte Möglichkeit, aber es scheint keine zu geben.
Das Universitätsgelände wird von einer größeren Straße zweigeteilt, so sind zufällig (zumindest habe ich das immer angenommen) die Gebäude der Geisteswissenschaftler von denen der Naturwissenschaftler getrennt. Normalerweise ist die Straße um diese Tageszeit leer: ein schwarzes Asphaltband mit vereinzelten Autos oder Radfahrern darauf, die vielleicht früh nach Hause fahren oder vom Shelley College am östlichen Ende zum Hardy College am westlichen unterwegs sind. Heute ist die Straße nicht schwarz: Sie ist eine Mischung aus weißem Eis und altem grauen Matsch, und sie ist völlig verstopft mit schneeverschmierten Wagen, deren Scheibenwischer sich unablässig bewegen. Und auf dem gesamten Gelände scheinen kleine Gruppen von Studenten Schneemänner zu bauen. Was ist los? Wohin sind die alle unterwegs? Und was ist mit den Vorlesungen und Seminaren? Ich kann nicht den ganzen Tag in einem Verkehrsstau sitzen und auf dicke weiße Kleckse gucken, die geradezu – und das gibt ein Häkchen in meiner »Wahnsinns«-Spalte – besessen scheinen, als wären sie gekommen, um die Weltherrschaft anzutreten. Heute nicht, bitte. Lasst mich nur zu Adam durch.
Während ich das flüsternd zu mir selbst sage und das Wort »bitte« wiederhole, ertappe ich mich plötzlich bei der Frage, wen ich eigentlich bitte, zu wem ich bete. Ich dachte, es ginge mir gut, aber auf einmal habe ich Atemnot. Komm schon, komm schon. Ich schlage ein paarmal aufs Lenkrad und fahre mir mit der Hand durch die Haare. Sie sind schweißfeucht, obwohl es draußen eiskalt ist. Der Verkehr auf meiner Straßenseite ist viel schlimmer als in die andere Fahrtrichtung. Tatsächlich scheinen nach einem weißen Laster der Universität keine Wagen mehr aus der Gegenrichtung zu kommen. Die Abzweigung zum Parkplatz des Russell Building liegt knapp fünfzig Meter vor mir auf der rechten Seite. Scheiß drauf. Ich lege knirschend den Gang ein, fahre rechts raus und beginne die lange Schlange der Autos zu überholen, deren Insassen mich wütend anstarren. Als ich fast die Abzweigung erreicht habe, kommen mir Wagen auf meiner Fahrbahn entgegen. Nun ja, die werden einfach warten müssen. Nur leider tun sie es nicht. Obwohl ich den Blinker rechts gesetzt habe und es offensichtlich ist, was ich vorhabe, fährt der erste Wagen einfach weiter auf mich zu, wobei der Fahrer gestikuliert und die Lichthupe betätigt, als wäre dies das Abartigste, was er je gesehen hat. Um Himmels willen. Ich kann nicht geradeaus weiterfahren, weil mir das Auto den Weg blockiert. Rechts von mir ist ein Dreieck aus Gras, auf dem ein unscheinbarer Schneemann steht. Studenten sind keine zu sehen. Ich schwenke nach rechts ab, fahre übers Gras, streife den Schneemann an der Seite, und der fällt um und bricht auseinander. Ich stelle mir den verärgerten Fahrer des anderen Wagens vor und was er wohl von diesem Manöver halten mag, aber ich drehe mich nicht um. Ich denke ohnehin, dass dies als Notfall zählt. Jetzt fahre ich auf der Straße zum Parkplatz, und der
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