Troposphere
durchgemacht, meine Liebe.«
Sobald das Geräusch ihrer Schritte verklungen ist, schaue ich Adam an. Von mehreren hundert Kerzen geworfene Schatten prallen von seinen scharfen Gesichtszügen ab und scheinen sich auf dem weicheren, kaputten Teil seines Gesichts niederzulassen.
»Es tut mir so leid«, sage ich. »Ich muss wirklich gehen.«
»Ariel …«
»Wenn ich dir auch nur die Hälfte von dem erzähle, was passiert ist, würdest du mir nicht glauben. Aber die kurze Version lautet: Sie können mich überall kriegen. Das klingt verrückt.« Ich seufze frustriert, weil ich keine Möglichkeit sehe, das zu erklären. »Im Grunde genommen können sie mich kriegen, wenn sie in meiner Nähe sind. In meine Nähe zu kommen reicht schon. Ich weiß, das ergibt keinen Sinn, und nicht einmal ich weiß, wie es funktioniert … Aber ich glaube, meine einzige Chance ist, weit, weit wegzufahren, so schnell wie möglich.«
»Ich bin überzeugt, dass du hier sicher bist. Komm wenigstens mit auf einen Tee. Ich werd's dir erklären.«
»Ich habe nicht viel Zeit, bis sie mir hierher nachkommen.«
»Wissen sie, dass du hier bist?«
»Sie werden es rauskriegen. Heather wird es ihnen sagen.«
»Ich hab ihr gesagt, dass sie meinen Brief nicht lesen soll.«
»Aber sie hat es wahrscheinlich trotzdem getan. Ich kann das Risiko einfach nicht eingehen.«
Meine Stimme wird immer höher, während ich spreche, und das bis zu einem Punkt, wo ich weiß, als Nächstes kann ich nur noch losheulen. Aber ich darf nicht weinen. Wenn ich weine, ist es vorbei. Das ganze Adrenalin wird dann fortgespült, und ich glaube, Adrenalin ist alles, was ich jetzt noch habe. Ich habe kein Geld, und ich habe nicht mal mehr ausreichend Benzin im Tank. Aber ich kann Benzin klauen: Das habe ich schon mal gemacht. Und ich habe genug Geld, um ein paar Tage von Kartoffelchips zu leben. Wenn ich nur weit wegfahren kann, könnte alles noch okay sein.
Ich mache Anstalten, die Treppe hochzugehen.
»Ariel? Ariel! Bitte. Du bist hier sicherer, glaub mir.«
»Das kannst du nicht wissen.«
»Ich weiß mehr, als du denkst.«
Ich zögere.
»Die sind mir nicht in die Universitätskapelle gefolgt«, sagt er. »Ich glaube, die konnten nicht. Und seitdem ich hier bin, habe ich nicht mehr von ihnen geträumt. Komm schon. Ich werde es dir unten erklären.«
Er nimmt mich an der Hand und führt mich vom hl. Judas weg in einen Raum voller Verkaufsartikel, die mit dem hl. Judas zusammenhängen. Ich bin mir nicht sicher, warum ich tue, was er sagt, aber ich fühle mich tatsächlich zu schwach, um jetzt irgendwas anderes zu tun. In diesem kleinen Raum sind viele nicht angezündete Exemplare der dicken blauen Kerzen sowie Ansichtskarten, Anhänger, Medaillons, Gebetsheftchen und kleine braune Töpfe mit weißen Deckeln. Adams Hand fühlt sich kalt an. Er bleibt an einem der Tische stehen und greift sich mit der freien Hand einen der kleinen braunen Töpfe.
»Hier«, sagt er. »Vielleicht hast du Verwendung dafür.«
Ich schaue auf das Etikett. Am Altar des hl. Judas gesegnetes Öl, steht darauf.
»Und einen von denen.« Adam gibt mir einen kleinen blauen Anhänger mit einem Bild des hl. Judas.
»Vielen Dank«, sage ich. Und natürlich würde ich normalerweise erwidern, dass ich nicht an Glücksbringer und Schlangenöl glaube, aber vermutlich gehören homöopathische Heilmittel und Weihwasser in die gleiche Kategorie, und sieh mal an, wie weit die mich gebracht haben. Im Moment brauche ich all die Unterstützung, die ich bekommen kann, wie ungeeignet sie auch zu sein scheint. Ich entziehe Adam meine Hand und lege das Halsband um. »Muss ich dafür nicht bezahlen?«, frage ich.
»Das mache ich später für dich. Keine Sorge. Ich halte mich seit einiger Zeit außerhalb der göttlichen Ökonomie auf, aber ich weiß noch, dass sie nicht auf unser Geld angewiesen ist. Okay. Nun warte mal eine Sekunde … Würdest du vielleicht eine dieser Kerzen anzünden?«
Er bückt sich und zieht einen kaum sichtbaren Haken auf dem Boden zurück. Es ist eine Falltür. Ich stelle eine große Kerze in eine blaue Halterung und zünde sie mit meinem Feuerzeug an. Ich bemerke, dass meine Hände zittern, und dann stelle ich fest, dass meine Beine sich schwach und wackelig anfühlen, als ob ein elektrischer Strom durch sie hindurchginge. Ich fühle mich gar nicht gut. Mein Kopf …
Instinktiv greife ich nach Adams Schulter. Ich will nur kurz meinen Kopf an sie lehnen: Ich glaube, damit könnte alles
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