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Troposphere

Troposphere

Titel: Troposphere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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den Rest von Patricks Geld habe. Nein. Ich habe die 9,50 Pfund, mit denen ich losgefahren bin, und nur noch wenig Benzin. Ich zünde mir die Zigarette an und fahre weiter. Ich bin unterwegs nach Torquay. Und ich muss unwillkürlich lächeln. Ich habe keine Ahnung, wo ich tatsächlich gewesen bin, aber – seltsamerweise – fühle ich mich zum ersten Mal, seit ich in der Troposphäre war, nicht im Geringsten verrückt. Ich fühle mich absolut großartig angesichts dessen, was gerade passiert ist. Ich bin doch keine Hure, denke ich, als ich wieder losfahre. Ich habe bekommen, was ich wollte, ohne tatsächlich irgendwas zu tun. Oder habe ich es in Wirklichkeit doch getan und es dann mit irgendwas anderem überschrieben? Ach, egal. Ich verbanne alle Gedanken an Abbie Lathrop – und die KIDS – aus meinem Kopf, und während ich auf den M25 zufahre, versuche ich mir das Versprechen abzuringen, nie wieder eine Pedesis-Reise zu unternehmen.
     
    Kurz nach zwölf parke ich den Wagen auf einem großen, anonymen Parkplatz neben der Stadtbibliothek von Torquay, rund 250 Meilen von der Kapelle des hl. Judas entfernt. Im Südwesten liegt kein Schnee, aber der Himmel ist genauso grau und stumpf wie der zu Hause, als ob der Januar in zwei Dimensionen neu formatiert und auf einen billigen tragbaren Schwarz-Weiß-Fernseher projiziert worden wäre. Die Troposphäre kommt mir immer stumpf vor, aber dies hier ist schlimmer; ich bin mir nicht sicher, ob die wirkliche Welt mit ihrem Schmutz und ihren Menschen wirklich der Ort ist, an dem ich sein möchte. Aber andererseits bin ich mir auch nicht sicher, ob die Troposphäre ein guter Ort für mich ist. Ich habe noch einen halben Tank von dem Benzin, das ich zu bezahlen »vergessen« habe, aber jetzt brauche ich etwas zu essen und Kaffee. Direkt gegenüber der Bibliothek ist ein Café, neben einer großen Kirche einer Konfession, die ich nicht kenne. Ich beschließe, in das Café zu gehen, bevor ich die öffentlichen Internet-Terminals benutze, die ich in der Bibliothek vermute. Ich werde nach Schlössern in der Umgebung suchen und sehen, was ich da finde. Ich erinnere mich an Burlems Erinnerung des Schlosses in seiner Stadt, das, an das er als den Ring eines Riesen dachte, der vom Finger gerissen und auf einem Hügel liegengelassen wurde. Wenn ich es mit dieser Beschreibung nicht finde, werde ich etwas anderes ausprobieren, aber ich weiß nicht genau, was.
    Obwohl ich diesen Entschluss gefasst habe, bleibe ich noch ungefähr fünf Minuten reglos im Wagen sitzen. Was für eine Fahrt. Erst nach zweihundert Meilen hörte ich damit auf, im Rückspiegel nach der Polizei (die wohl ein paar Fragen wegen des Benzins hätte) und nach den Männern vom Project Starlight Ausschau zu halten. Irgendwann danach verlor ich den Überblick, wo ich mich befand. Ich fuhr in eine Stadt, von der ich annahm, dass es sich um Torquay handelte, aber es gab überhaupt nichts, was sie von irgendeiner anderen Stadt Großbritanniens unterschied, in der ich schon mal gewesen war, und ich war mir nicht sicher, ob ich tatsächlich da war, wo ich hinwollte. Ein großer Kreisverkehr mit mehreren Hinweisschildern auf Industrieanlagen und ein Supermarkt auf der rechten Seite. Ich stellte den Wagen auf dem Supermarktparkplatz ab und stieg zum ersten Mal seit der Tankstelle an der M25 aus. Meine Beine waren zittrig. Ich ging hinein und direkt auf den Kiosk zu, wo ich ein Päckchen billigen Zigarettentabak kaufte.
    »Wo bin ich genau?«, fragte ich die Frau, nachdem sie mir mein Wechselgeld gegeben hatte.
    So, wie ich es sagte, klang es wie eine vollkommen normale Frage. Aber die Frau schaute mich an, als wäre ich nicht ganz bei Trost.
    »Sie sind in einem Supermarkt, meine Liebe«, antwortete sie.
    Doch nach einigen weiteren Fragen begriff ich, dass ich nicht in Torquay war, und bekam eine ziemlich gute Wegbeschreibung zur Bibliothek.
    Jetzt stehe ich also auf einem Parkplatz, der sich von keinem anderen Parkplatz irgendeiner anderen Stadt unterscheidet und sehe zu, wie Leute kleine Kinder ausladen oder große glänzende Tragetaschen, auf denen das Wort Ausverkauf steht, in ihre Autos einladen. Zwei Frauen kommen vorbei, beide in diesen neuen elektrischen Gefährten, die ein bisschen wie Autoskooter aussehen, und sie scheinen sich über irgendwas zu streiten. Der graue Betonboden ist mit alten Zigarettenkippen, Schnellimbissverpackungen einer mir bekannten Kette und Styropor-Kaffeebechern übersät. Ich schaue über all das

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