Troposphere
hinweg auf die dünne Reihe blattloser Bäume auf einem kleinen Hügel, der diesen Parkplatz von der Straße darüber trennt. Die Bäume sind die einzigen Dinge, die sich vor dem gräulich-weißlichen Klecks von Bürogebäuden und Himmel abheben. Und dann sehe ich etwas in den Bäumen: sechs oder sieben Eichhörnchen, die sich alle gleichzeitig bewegen, eines in jedem Baum – jedenfalls wirkt es so –, und alle bewegen sich und springen und formieren sich ständig neu, wie Pixel auf einem Bildschirm. Ihre Körper sind Schattenrisse vor dem blassen Licht des Himmels. Es ist Winter, und ich kann mir nicht vorstellen, was sie hier zu fressen finden. Halten Eichhörnchen eigentlich keinen Winterschlaf? Haben sie einen Gott, der sich um sie kümmert, oder betet niemand für Eichhörnchen? Ich schaudere. Was ist, wenn Burlem hier nicht mehr wohnt und wenn ich tatsächlich nicht herausfinde, wo er ist? Ich stelle mir vor, wie es wäre, als Eichhörnchen – oder als irgendein anderes Tier – in einer zubetonierten Gegend zu leben, wo alles Geld kostet. Was soll ich machen, wenn ich Burlem nicht finde? Ich kann nicht nach Hause gehen. Ich glaube, man kann sagen, dass ich kein Zuhause mehr habe.
Ich frage mich, ob das Buch immer noch in Sicherheit ist.
Ich frage mich, ob die Männer schon zu Adam gekommen sind.
Und ich spüre einen Pulsschlag wie eine Faust, die mich zuerst zwischen meinen Beinen und dann irgendwo in den Magen trifft. Ist es möglich, dass ich ihn je wiedersehe?
Ich höre mit dem Nachdenken auf und steige aus dem Wagen. Da ist eine Plakatwand mit vielen Schichten von Plakaten, die sich bereits ablösen und zum größten Teil Reklame für ein Weihnachtsmärchen machen, in dem jemand aus einer australischen Seifenoper, von der ich noch nie gehört habe, die Hauptrolle spielt. Darüber ein Schild: Übernachten im Auto verboten. Mist. Ich hätte nie gedacht, dass man sich strafbar machen kann, indem man seinen Wagen irgendwo abstellt und darin schläft. Ich gehe zum Parkautomaten, und der kalte Wind bläst mir ins Gesicht. Wie ich befürchtet hatte, ist es astronomisch teuer, hier zu parken, rund ein Pfund die Stunde. Ich bezahle für eine halbe Stunde und verschmiere die Uhrzeit auf dem Parkschein mit dem Fingernagel, während ich zum Wagen zurücklaufe. Dann lege ich den Parkschein an eine nicht gut einsehbare Stelle am Rand der Windschutzscheibe, sodass nur das Datum lesbar ist. Ich schließe den Wagen wieder ab und gehe über die Straße und durch eine klingelnde Tür ins Café.
Es riecht nach Suppe und nach etwas Saurem, das ich nicht identifizieren kann. Der Laden ist fast voll, aber ich bekomme noch einen Platz in der Ecke neben einer Auslage mit Grußkarten, Schmuck und Fairtrade-Müsli. An der Wand hängen mehrere Bilder, auf denen schlanke weiße Frauen Chöre von kleinen, in fröhlichen Farben gekleideten afrikanischen Kindern dirigieren oder in genauso fröhlichen Farben gekleideten Frauen helfen, Wassereimer aus einem Brunnen zu ziehen. Als eine Frau im gelben Twinset, die die besten Jahre schon hinter sich hat, meine Bestellung aufnehmen kommt, begreife ich, dass es ein christliches Café ist. Als ich die Möhrensuppe mit Pastinaken bestelle, bemerke ich die Broschüren, die überall verteilt sind, und das Plakat mit den Zeiten der Gottesdienste – vermutlich in der Kirche nebenan. Und ich frage mich: Welche Art Gott wird von den Hunderten von Menschen, die hier mit Sicherheit beten, erschaffen und am Leben erhalten? Apollo Smintheus ist das Ergebnis der Gebete von sechs Menschen, und er macht einen ziemlich realen Eindruck. Was bewirken mehr Gebete? Was für ein Gott kommt dabei heraus? Und ist dieser Gott – derjenige, der von den Leuten hier gemacht ist – derselbe Gott, der von den Menschen in der Kirche in der Nähe von Burlems Haus erschaffen wird? Ist es derselbe Gott, der von den Menschen im Priorat von Faversham erschaffen wird? Wie würde ein solcher Gott aussehen? Ich vermute, wenn ich ihm in der Troposphäre begegnete, würde er exakt so aussehen, wie ich ihn haben wollte – vermutlich ein alter Mann mit einem weißen Bart, so, wie sich ein Atheist vorstellt, dass ein Christ sich Gott vorstellt. Und was tut er für diese Leute? Wie wird es sein, wenn Millionen von Menschen einem sagen, was man tun soll? Und ich frage mich auch: Was verlangt er als Gegenleistung?
Während ich auf die Suppe warte, lese ich in einer der Broschüren. Sie redet vage von »Freude«. Aber ich habe
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