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Troposphere

Troposphere

Titel: Troposphere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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Loch in der Mitte, man kann da oben stehen und beobachten, was unten vor sich geht, oder sich an einen der kleinen Tische setzen und arbeiten. Ich denke an die Bibliothek zurück, in der ich als Kind gewesen bin. Dort herrschte immer Totenstille, und – zumindest in meiner Erinnerung – war dort alles orangefarben, einschließlich einer kleinen gepolsterten Bodenvertiefung in der Kinderabteilung, die mir wie ein tiefer Abgrund vorkam und in der sitzen zu dürfen ich meine Mutter immer anbettelte.
    Ich gehe zum Leihschalter.
    »Hi«, sage ich zu einem bärtigen Bibliothekar. »Ich möchte ins Internet.«
    »Sind Sie Mitglied?«
    »Dieser Bibliothek?«
    »Ja.«
    »Nein. Leider nicht.«
    »Sind Sie Studentin?«
    »Nein.«
    Er lächelt. »Wir können Ihnen einen Tagesausweis ausstellen. Dazu müssen Sie dieses Formular hier ausfüllen …«
    Er reicht es mir. Ich überlege, ob es überprüft wird, falls ich beim Ausfüllen lüge. Ich will auf keinen Fall irgendetwas Schriftliches von mir hinterlassen.
    »Vielleicht schaue ich zuerst mal nach, ob ich die Informationen, die ich brauche, in einem Buch finden kann«, sage ich. »Aber ich komme darauf zurück, wenn ich nicht fündig werde.« Ich wollte mir neben den Informationen über das Schloss auch die Website des Kults von Apollo Smintheus anschauen, aber vielleicht lasse ich das lieber. Schließlich stehe ich irgendwie in der Schuld dieser Leute.
    »Gute Idee«, sagt er. »Kann ich Ihnen bei der Suche nach einem Buch helfen?«
    Ich glaube, das ist der hilfsbereiteste Bibliotheksangestellte, mit dem ich je zu tun hatte. All die Mitarbeiter von Universitätsbibliotheken tun so, als stünde man ihnen nur im Weg. Das soll allerdings nicht heißen, dass ich die Universität nicht vermisse; und ich weiß echt nicht, wo ich sonst jemals eine Grünfläche zu sehen bekommen werde, die nicht zugemüllt ist. Zum ungefähr tausendsten Mal versetzt es mir heute einen Stich: Ich gehe nicht mehr zurück. Ich gehe nicht mehr zurück.
    »Ähm, ich bin an Schlössern in der Umgebung interessiert«, sage ich.
    »Ah. Irgendwelche bestimmten?«
    Ich lächele. »Nein. Ganz allgemein. Ich möchte mir die Grundrisse von Schlössern ansehen.« Das klingt verrückt. Ich denke schnell nach. »Es geht um die Recherche für ein Buch.«
    Das scheint ihn zu beeindrucken. »Und es geht um Schlösser in Devon?«
    »Ja, ich glaube schon.«
    »Nun ja, da müssen Sie in die Bibliothek für Regionalgeschichte.«
    Mist. »Und wo ist die?«, frage ich.
    »Oh, das ist der kleine Raum dort drüben«, sagt er und zeigt auf eine Tür in der Ecke. »Sie dürfen eigentlich nicht reingehen, wenn Sie kein Mitglied sind, aber ich nehme doch an, dass es okay ist. Sie können natürlich keins der Bücher ausleihen. Und leider muss Ihre Tasche draußen bleiben.«
    Er trägt mich ein und nimmt meine Tasche an sich. Dann gibt er mir einen Ausweis.
    »Gehen Sie einfach direkt rein«, sagt er.
     
    Die Bibliothek für Regionalgeschichte ist ein verstaubtes Zimmer mit niedriger Decke, das durch die Anordnung der Regale und die Position mehrerer Schreibtische und eines Lesegeräts für Microfiches in drei unterschiedliche Bereiche aufgeteilt ist. Ich fühle mich hier, vom modrigen Geruch alter Bücher umgeben, sofort wohl. Außer mir ist niemand da, und ich frage mich, ob ich festgenommen würde, wenn ich mich hier einfach schlafen legte. Vermutlich.
    Ich gehe umher und schaue mir die verblassten Buchrücken alter Kirchenregister und Biographien an, dann wird mir klar, dass ich den Computerkatalog brauche, um zu finden, wonach ich suche. In der Ecke, genau unter dem Bildschirm der Überwachungskamera, steht ein Terminal. Ich setze mich davor, aber es ist ein komisches Gefühl, mich selbst im Fernseher zu sehen; ich bin ein undeutlicher Schatten in meinem Augenwinkel, während ich die Suchbegriffe »Schlösser« und »Devon« eingebe.
    Es gibt mehrere Bücher über Devons Schlösser, und ich nehme mir ein paar mit Bildern und setze mich damit an einen der Tische. Ich blättere im umfangreichsten Band, der Zeichnungen aller größeren Schlösser der Umgebung enthält. Exeter Castle und Powderham Castle sind zu groß und rechteckig, genau wie Berry Pomeroy Castle und Bickleigh Castle. Gidley Castle und Lydford Castle sind beide zu quadratisch. Es gibt mehrere Schlösser am Meer. Aber das Schloss, an das Burlem dachte, lag auf einem kleinen Hügel. Schließlich finde ich Bilder von zwei Schlössern, die auf einem Hügel liegen.

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