Troposphere
anbieten, nehmen sie es mir ziemlich bald wieder weg, deswegen ist es wahrscheinlich am besten, dass es diesmal nicht dazu gekommen ist. Was ist es denn schon, was ein Mann wie Adam von mir bekommen könnte? Wenn man jemand wie Adam ist, kann man jede Frau haben. Wenn er mal duschen und einen Anzug oder so was anziehen würde, na ja, ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendeine Frau ihm dann einen Korb gäbe. Bei jemandem wie Adam spielen mein iPod oder mein glatter Hals oder meine Titten, die (noch) nicht schlaff herunterhängen, keine Rolle. Ich habe keine Cellulitis, und deswegen schätzen sich Männer über fünfzig glücklich, mit mir schlafen zu können. Was habe ich denn, woran Adam interessiert sein könnte? Sexualökonomisch habe ich Millionen auf dem Offshore-Konto »Ältere Männer«, aber ich glaube, dass man mich bei keiner anderen Bank ein Konto eröffnen ließe.
Ich hatte mal einen schwarzen Marker, aber ich weiß nicht mehr, wo er geblieben ist. Es war ein großes, phallisches, nach Chemie riechendes Ding, mit dem ich die Nummer meiner Wohnung auf eine der Mülltonnen in Luigis Hinterhof geschrieben habe. Aber das ist vielleicht anderthalb Jahre her. Er ist nicht in der Küchenschublade, und er ist nicht in dem Becher mit Stiften auf dem Regalbrett. Verdammt. Unter den Dingen, die ich finden kann, kommt ihm ein schwarzer Kuli am nächsten. Immerhin habe ich ein weißes Stück Pappe. Es ist die Rückenverstärkung einer billigen Netzstrumpfhose, die ich im letzten Frühjahr auf dem Markt gekauft habe, und sie liegt seitdem auf meiner Kommode. Also zeichne ich den schwarzen Kreis auf die Pappe: Es dauert allein fünf Minuten, ihn vollständig auszumalen.
Außerdem habe ich einen schwarzen Fleck auf dem Arm, an der Stelle, wo ich den Stift versuchsweise hineingebohrt habe, um festzustellen, wie es sich anfühlen würde; um festzustellen, ob es genauso wäre wie früher.
Das Weihwasser in dem Fläschchen sieht trübe aus. Ich nehme die Seite aus »The End of Mister Y« und lege sie auf die Küchentheke, um die Anweisungen durchzugehen. Okay, ich muss also die Carbo veg mit dem Weihwasser vermischen und die Mixtur mehrere Male schüttelschlagen. Das ist doch wohl dasselbe wie schütteln, oder? Ich meine, mich aus den Homöopathiebüchern zu erinnern, dass es so ist. Als ich an den Schrank will, um die Carbo veg aus der Zuckerdose zu holen, schwebt die einzelne Seite aus Lumas' Buch zu Boden. Ich hebe sie auf und bemerke, dass der Rand inzwischen ein wenig feucht ist. Ich erinnere mich, eine Rolle Tesafilm in der Küchenschublade gesehen zu haben, also krame ich sie hervor und verbringe die nächsten Minuten damit, das Buch sorgfältig zu reparieren, indem ich den gezackten Rand der herausgerissenen Seite mit dem gezackten Rand zwischen den Seiten 130 und 133 zur Deckung bringe. Man kann natürlich die Nahtstelle sehen, aber die Seite ist jetzt wieder Teil des Buchs.
Ich erinnere mich daran, dass man homöopathische Medikamente nicht berühren soll, und lasse daher eine der Pillen auf einen Teelöffel rollen. Sie macht ein ganz leises klimperndes Geräusch. Dann ziehe ich den Stöpsel aus dem Fläschchen und lasse die Pille hineinfallen. Sie tanzt eine Sekunde auf der Oberfläche, bevor sie versinkt und das Wasser in dem Maß trüber wird, in dem sie sich auflöst. Mein Herz ist ein kleiner Gummiball, der innen gegen meine Rippen prallt. Ich weiß nicht, warum ich nervös bin: Alles, was ich tue, ist eine kleine Zuckerpille in etwas Wasser zu geben. Dennoch stehe ich da und schüttele die Mixtur einige Minuten, und dann, weil ich mich an etwas erinnere, das ich früher gelesen habe, schlage ich mit dem Fläschchen ein paar Mal leicht auf ein Geschirrhandtuch, das ich zusammengefaltet auf die Arbeitsplatte gelegt habe. Ich schaue hin und sehe, dass sich die Pille vollständig in dem Wasser aufgelöst hat. Also werde ich es jetzt trinken.
Wirklich? Ist Weihwasser steril oder auch nur hygienisch? Wie viele Leute haben wohl ihre Finger hineingesteckt? Wahrscheinlich nicht so viele. Komm schon, Ariel. Aber … Füllt der Priester es abends oder morgens hinein? Zu blöd. Ich entkorke das Fläschchen und zwinge mich, einen großen Schluck daraus zu trinken. Na also. Jetzt muss ich nicht mehr darüber nachdenken. Ich nehme das Stück Pappe und lege mich aufs Sofa, betrunken und müde, und mittlerweile ist mir ein bisschen schlecht.
Schwarzer Punkt, schwarzer Punkt. Ein verschmierter Fleck. Und dann bin
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