Trouble - Ein Jack-Reacher-Roman
Vegas noch hell beleuchtet und voller Leben, aber im Vergleich zum Inneren der Bar wirkte der Gehsteig still und friedlich wie die kalte graue Mondoberfläche.
»Plan?«, fragte Dixon.
»Wir sind morgen um halb zwölf wieder hier«, gab Reacher zur Antwort. »Wir fangen sie auf dem Weg zur Arbeit ab.«
»Bis dahin?«
»Nichts. Den Rest der Nacht haben wir frei.«
Sie schlenderten gemütlich zum Strip zurück und bildeten auf dem Gehsteig eine Viererreihe. Dreißig Meter hinter ihnen bremste ein dunkelblauer viertüriger Chrysler scharf, scherte aus dem träge fließenden Verkehr aus und hielt am Randstein.
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Der Mann in dem dunkelblauen Anzug erstattete sofort telefonisch Meldung: »Ich habe sie gefunden. Unglaublich! Sie sind gerade vor mir aufgetaucht.«
Sein Boss fragte: »Alle vier?«
»Ich habe sie genau vor mir.«
»Können Sie sie erledigen?«
»Ich denke schon.«
»Gut, dann los! Warten Sie nicht auf Verstärkung. Legen Sie sie um, und sehen Sie zu, dass Sie hierher zurückkommen.«
Der Kerl in dem blauen Anzug klappte sein Handy zu, fuhr an, überquerte schwungvoll alle vier Fahrspuren und hielt dann in einer Seitenstraße vor einem Laden mit den billigsten Zigaretten der Stadt. Er stieg aus, schloss seinen Wagen ab und ging mit der rechten Hand in der Tasche seines Jacketts rasch zu Fuß auf dem Strip zurück.
In Las Vegas war die Hotelzimmerdichte höher als in jeder anderen Stadt der Welt, aber Azhari Mahmoud befand sich in keinem davon. Er wohnte in einem gemieteten Haus in einem fünf Kilometer vom Strip entfernten Vorort. Dieses Haus war zwei Jahre zuvor für eine Operation gemietet worden, die dann doch nicht stattfand. Es war damals sicher gewesen und war es auch jetzt.
Mahmoud stand in der Küche und hatte die Gelben Seiten aufgeschlagen vor sich auf der Arbeitsfläche liegen. Er blätterte in den Anzeigen von Leihwagenfirmen und versuchte sich auszurechnen, wie groß der Lastwagen sein musste, den er brauchen würde.
Am Strip gab es eine permanente Renovierungswelle, die wie Wasser in einer Badewanne hin und her schwappte. Einst hatte das Riviera den leuchtenden Schlusspunkt gebildet, hatte Investitionen ausgelöst, die wie Lauffeuer den Strip entlanggefegt waren. Bis die Neubauten das andere Ende erreichten, waren sie immer luxuriöser ausgefallen, und das Riviera hatte im Vergleich zu den neuen Gebäuden plötzlich alt und schäbig gewirkt. Deshalb hatte sofort eine gegenläufige Kapitalflucht eingesetzt, die sich Block für Block zurückverfolgen ließ. Das Ergebnis war eine ungefähr einen Straßenblock lange Wanderbaustelle, die die neuen, eben errichteten Bauten von den etwas älteren trennte, die demnächst abgerissen werden sollten. Gleichzeitig wurden die Fahrbahnen und der Gehsteig begradigt. Während der neue Strip schnurgerade verlief, führte die alte Route durch eine Trümmerlandschaft. Dort wirkte die Stadt auf einem kurzen Wegstück still und verlassen wie unbewohntes Niemandsland.
In genau diesem Niemandsland schloss der Mann in dem dunkelblauen Anzug zu den Zielpersonen auf. Sie liefen zu viert nebeneinander her, langsam, als hätten sie ein Ziel, aber keine Eile, es zu erreichen. Neagley ging links außen, Reacher und O’Donnell befanden sich in der Mitte, und Dixon bildete den rechten Flügel. Dicht nebeneinander, ohne sich jedoch zu berühren. Wie eine Marschkolonne, die den gesamten Gehsteig einnahm. Gemeinsam bildeten sie eine gut drei Meter breite Zielscheibe. Es war Neagley gewesen, die sich für den alten Gehweg entschieden hatte, und die anderen waren ihr einfach gefolgt.
Der Mann in dem Anzug zog seine Pistole aus der rechten Tasche seines Jacketts. Die Waffe war eine südkoreanische Daewoo DP 51: schwarz, klein, illegal beschafft, nicht registriert, nicht nachweisbar. Ihr Magazin enthielt dreizehn Neun-Millimeter-Patronen. Sie wurde in der Art getragen, die ihr Besitzer aus langer beruflicher Erfahrung als einzig sichere Transportmöglichkeit betrachtete: gesichert und mit leerer Kammer.
Er hielt die Pistole in der rechten Hand, betätigte probeweise den Abzug und plante den Ablauf. Er beschloss, Prioritäten zu setzen und die größten Ziele zuerst zu erledigen. Also ein Schuss mitten in Reachers Rücken, dann ein kleiner Schwenk nach rechts zu O’Donnell, danach ein radikaler Zielwechsel auf Neagley, zuletzt einer auf Dixon. Vier Schüsse, vielleicht drei weitere, alle aus sieben bis acht Metern – dicht genug, um sicher zu treffen, aber nicht
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