Troubles (German Edition)
fand), machte sich vielleicht ein Spielerpaar daran, die Punkte zusammenzurechnen, und stellte fest, dass sie mit einer schier unglaublichen Anzahl von Stichen, zusammengekommen im Verlauf eines ganzen Tages, gewonnen oder verloren hatten, mehreren Hundert womöglich … Und jeder würde mit einem vergnügten Lachen zu seinem Zimmer aufsteigen und von Assen und Buben träumen, von einem immerwährenden Vorrat an Trümpfen, einer nach dem anderen ausgespielt, von einer Überlegenheit, die unverwüstlich war, die keine Veränderung und keinen Verfall und auch kein Alter kannte, denn ein Trumpf würde immer ein Trumpf bleiben, komme was da wolle.
An diesen Tischen blühten und kursierten die Gerüchte. Einmal hieß es, Dublin Castle habe eine Kosakenbrigade angeheuert, Emigranten aus Russland, die es für unter ihrer Würde hielten, weiter gegen die abscheulichen Bolschewiken zu kämpfen, und die lieber jetzt hier die Iren in Schach hielten. Jemand anderes versicherte mit aller Überzeugung, in der Grafschaft Mayo habe die hungrige Meute einen fetten Amtsrichter gefangen und aufgefressen; da diese Geschichte, so grotesk sie auch war, mit dem tatsächlichen Verschwinden eines Amtsrichters (wenn auch nicht in Mayo) zusammenfiel, bescherte sie sämtlichen Damen einen angenehmen Schauder und einen bunten Reigen schauerlicher Träume. Doch dann wurde der Richter wieder aufgefunden, in einem Sarg neben den Eisenbahngleisen abgestellt, und alles war gut. In der
Irish Times
hieß es, er sei begraben und wieder ausgegraben worden (Strafmaßnahmen waren angedroht, falls sein Verbleib nicht aufgeklärt würde), doch von Kannibalismus war nicht die Rede.
Aber gerade als die Damen am fröhlichsten schwadronierten und Spielkarten wie Schnee auf die grünen Tische stoben, war der Major niedergeschlagener denn je. Allein schon weil er die Strafmaßnahmen in Balbriggan und anderswo in einem düsteren Licht sah. Diese Verirrung der britischen Justiz konnte nur ins Chaos führen. Wenn man die Vorstellung von einer unparteiischen, objektiven Justiz erst einmal aufgegeben hatte, dann konnte jede Fraktion, jede Person in Irland ihren eigenen Begriff davon haben. Ein Mann, der einem auf der Straße in Kilnalough begegnete, konnte einem mit gleichem Recht (je nachdem wie es zu seiner privaten Sicht der Dinge passte) ein Stück Apfelkuchen anbieten oder einem die Kehle durchschneiden. Und so wie sich alles entwickelte (jedenfalls sah es in den Augen des Majors sehr so aus) war das Messer an der Kehle wahrscheinlicher als der Kuchen.
Zwar wurden in Kilnalough in den Tagen nach den jüngsten Unruhen keine Kehlen durchgeschnitten, aber es gab doch ein paar hässliche Vorfälle. Miss Archer wurde von zwei irischen Walküren ganz in Schwarz und mit Männerstiefeln an den Füßen rüde in den Rinnstein gestoßen. Dabei ließ sie ihren Muff fallen, und eine Horde Gossenkinder trampelte darauf herum und spielte Fußball damit. Weise überließ sie ihnen den Muff und floh, bevor Schlimmeres geschehen konnte. Nicht lange danach steckte ein junger Schläger in Kilnalough seinen Stock zwischen die Speichen von Charitys Fahrrad, und bei dem Sturz schrammte sie sich Knie und Handflächen auf. Leute aus dem Majestic wurden mit Steinen beworfen, doch ohne nennenswerten Schaden. Jemand hatte Viola O’Neill Obszönitäten ins unschuldige Ohr geflüstert, als sie im Kurzwarenladen Knöpfe kaufte (wie der Major von Boy O’Neill hörte), aber sie hatte sie natürlich nicht verstanden.
Doch es dauerte nicht lange, und der Schock und das Entsetzen des Majors über den Niedergang derbritischen Justiz hatten sich verflüchtigt, und nur ein Bodensatz aus Gleichgültigkeit und Verachtung blieb. Wenn der eine Haufen so schlimm war wie der andere, warum sollte man sich da noch Gedanken machen? »Sollen sie doch selbst sehen, wie sie zurechtkommen.«
Er langweilte sich, er war einsam, und eines Tages merkte er, dass Edward ihm auf die Nerven ging. Je mehr der Major darüber nachdachte, desto größer wurde seine Abneigung. Seltsam, dass ihm nie vorher aufgegangen war, wie sehr er diesen Kerl verabscheute. Dieser Tage musste er Edward nur zu Gesicht bekommen, und er knirschte mit den Zähnen. Alles an ihm konnte den Ärger des Majors befeuern: sein anmaßender Tonfall; die rechthaberische Art, wie er in lauten und verächtlichen Tönen seine Meinung hinausposaunte und niemals zur Kenntnis nahm, was der andere sagte; und die Ungerechtigkeit, mit der er die Zwillinge
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